AfA beim Erwerb von Vertragsarztpraxen

AfA beim Erwerb von Vertragsarztpraxen

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 33/17, Pressemitteilung vom 17.05.2017, Urteil vom 21.02.2017, Aktenzeichen VIII R 7/14, Urteil vom 21.02.2017, Aktenzeichen VIII R 56/14

Die Übertragung von Vertragsarztpraxen berechtigt den Erwerber nur dann zu Ab­setzungen für Abnutzung (AfA) auf einen Praxiswert und das miterworbene Inventar, wenn Erwerbsgegenstand die gesamte Praxis und nicht nur eine Vertrags­arzt­zu­las­sung ist, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit zwei Urteilen vom 21. Februar 2017 VIII R 7/14 und VIII R 56/14 entschieden hat.

In beiden Streitfällen hatten die Beteiligten Praxisübernahme­verträge geschlossen, in denen es auch um die Überleitung der sog. Vertragsarztzulassungen vom Praxisveräußerer und Zulassungsinhaber auf die Praxiserwerber ging. Die Zulassung vermittelt ein höchstpersönliches, öffentlich-rechtliches Statusrecht, das dazu berechtigt, gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln und die Leistungen gegenüber den ge­setzlichen Krankenkassen abzurechnen. Sie wird in zulas­sungs­beschränkten Gebieten in einem sog. Nachbesetzungsverfahren (§ 103 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch –SGB V–) erteilt und kann vom Zulassungsinhaber nicht direkt an einen Er­wer­ber veräußert werden. Gleichwohl enthalten Praxis­über­tra­gungs­verträge häufig Regelungen zur Überleitung der Zu­las­sung auf den Praxiserwerber und eine Verpflichtung zur Mit­wir­kung des Zulassungsinhabers im Nach­be­set­zungs­verfahren.

Im ersten Fall (Az.: VIII R 7/14) erwarb eine fachärztliche Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztpraxis eines Kassenarztes. Der Kaufpreis für die Praxis orientierte sich an den durch­schnittlichen Einnahmen aus der Untersuchung und Behandlung der gesetzlich und privat versicherten Patienten samt eines Zuschlags. Eine Besonderheit der fachärztlichen Einzelpraxis war, dass die Patienten diese im Wesentlichen aufgrund von Überweisungen anderer Ärzte aufsuchten und diese sog. Zuweiserbindungen ein entscheidender wertbildender Faktor waren. Die Gemeinschaftspraxis übernahm einige Mitarbeiter der Einzelpraxis und das Patientenarchiv, da sie davon ausging, dass frühere Patienten der Einzelpraxis die Gemeinschaftspraxis aufsuchen würden. Sie wollte ihre Tätigkeit jedoch nicht in den Räumen des bisherigen Praxisinhabers ausüben. Der bisherige Einzelpraxisinhaber übernahm im Kaufvertrag die Verpflichtung, im Nachbesetzungsverfahren an der Erteilung der Zulassung an eine Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis mitzuwirken.

Wird eine Vertragsarztpraxis samt der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis, insbesondere des Praxiswerts, als Chancenpaket erworben, ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten.

Wie der BFH jetzt ausdrücklich entschieden hat, gilt dies auch, wenn eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis unter der Be­dingung erwirbt, die Vertragsarztzulassung des Einzel­praxis­inhabers werde im Nachbesetzungsverfahren einem Gesell­schafter der Gemeinschaftspraxis erteilt. Maßgebliches Indiz für einen beabsichtigten Erwerb der Praxis als Chancenpaket sei, dass Veräußerer und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbarten. Der Umstand, dass die Gemeinschaftspraxis nicht beabsichtige, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen, stehe dem nicht entgegen. Auf dieser Grundlage bejahte der BFH im Streitfall die AfA-Berechtigung auf den Praxiswert und die übrigen erworbenen Wirtschaftsgüter der Praxis.

Im zweiten Fall (Az.: VIII R 56/14) schloss der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem Neugesellschafter einer Gemein­schafts­praxis einen sog. Praxisübernahmevertrag. Dieser stand unter der Bedingung der erfolgreichen Überleitung der Vertrags­arzt­zu­lassung auf den Erwerber. Der Verkäufer verpflichtete sich auch hier im Nachbesetzungsverfahren an der Überleitung der Zulassung auf den Erwerber mitzuwirken. Zudem verlegte er seine Vertragsarztpraxis für eine kurze Zeit an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Allerdings wurde er tatsächlich nicht für die Gemeinschaftspraxis tätig.

Der BFH verneinte hier die AfA-Berechtigung des Erwerbers in vollem Umfang. Der Neugesellschafter habe nur den wirt­schaft­li­chen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertrags­arzt­zulassung gekauft, da er weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse gehabt habe. Dieses Wirtschaftsgut sei nicht abschreibbar, da es keinem Wertverzehr unterliege. Der Inhaber könne eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie inne habe, gleichbleibend in Anspruch nehmen. Er könne zudem den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch eine Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten. Daher erschöpfe sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsgutes des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit.

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Über den Autor

Harald Halbig author

Rechtsanwalt und Steuerberater in München

Tätigkeitsschwerpunkte:
Steuerberatung, Steuerstrafrecht, strafbefreiende Selbstanzeige, Bilanzrecht, Rechtsbehelfsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Vermögensübertragungen, Erbschaftsteuerrecht

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