Abgeltungsteuer: Antrag auf sog. Günstigerprüfung

Abgeltungsteuer: Antrag auf sog. Günstigerprüfung

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 59/15, Pressemitteilung vom 02.09.2015, Urteil vom 12.05.2015, Aktenzeichen VIII R 14/13

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 12. Mai 2015 VIII R 14/13 die für die Steuerpflichtigen wichtige Frage entschieden, bis zu welchem Zeit­punkt der Antrag auf Anwendung der tarif­lichen Einkommensteuer (sog. Günstigerprüfung) nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt werden kann.

In dem Verfahren VIII R 14/13 erzielte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus einer Leibrente. Zudem erzielte sie Kapitalerträge, die sie nicht in ihrer Einkommen­steuer­erklärung angab, da dafür schon die Abgeltungsteuer von 25 % abgeführt worden war. Im Einkommensteuerbescheid blieben die Ka­pi­tal­einkünfte daher unberücksichtigt. Nach Ablauf der Einspruchsfrist für ihren Einkommensteuerbescheid stellte die Klägerin einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Danach werden auf Antrag des Steuerpflichtigen Ka­pi­tal­einkünfte nicht nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 %, sondern nach dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen besteuert, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich der Zuschlagsteuern führt. Dies wäre bei der Klägerin der Fall gewesen, da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag. Finanzamt (FA) und Finanzgericht lehnten eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab.

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurück­gewiesen. Eine zeitliche Befristung für den Antrag auf Gün­sti­ger­prüfung ergibt sich aus der Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Andernfalls würden die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) über die Korrektur bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide unterlaufen. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer solchen Korrekturvorschrift hat der BFH verneint. Zwar wurde dem FA erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der nach § 32d Abs. 6 EStG angeordneten Gesamtbetrachtung der Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine Korrektur­mög­lich­keit für derartige „neue Tatsachen“ nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist jedoch nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden trifft. Der BFH hat hier ein Verschulden bejaht, da die Klägerin die Steuer­bescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung erhalten hatte. Dies hat auch Auswirkungen auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu stellen. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin von einem Steuerberater bei der Abgabe ihrer Einkommensteuer­er­klä­rung vertreten worden ist. Sollte sie den Steuerberater entsprechend auf die ihr bekannten Einkünfte aus Kapital­vermögen hingewiesen haben, wäre ihr dessen schuldhafte Pflichtverletzung bei der Erstellung der Steuererklärung wie eigenes Verschulden zuzurechnen.

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Über den Autor

Harald Halbig author

Rechtsanwalt und Steuerberater in München

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Steuerberatung, Steuerstrafrecht, strafbefreiende Selbstanzeige, Bilanzrecht, Rechtsbehelfsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Vermögensübertragungen, Erbschaftsteuerrecht

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