Jahresarchiv 7. Juni 2017

Zukauf von Fremdübersetzungen führt zur Gewerblichkeit der Übersetzungstätigkeit

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 37/17,  Pressemitteilung vom 07.06.2017 , Urteil vom 21.02.2017 , Aktenzeichen VIII R 45/13

Eine Personengesellschaft, die ihren Kunden im Rahmen einheitlicher Aufträge regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Übersetzungen auch in Sprachen, die ihre Gesellschafter nicht selbst beherrschen, liefert, ist gewerblich tätig, wie der Bundes­finanz­hof (BFH) mit Urteil vom 21. Februar 2017 VIII R 45/13 ent­schieden hat.

Im Streitfall fertigte die Klägerin – eine Gesellschaft bürger­lichen Rechts, die auf technische Übersetzungen spezialisiert ist – technische Handbücher, Bedienungsanleitungen und ähnliche Dokumentationen für ihre Kunden. Die auftragsgemäß ge­schul­deten Übersetzungen erfolgten regelmäßig und in nicht un­er­heblichem Umfang auch in solchen Sprachen, die die Gesell­schafter der Klägerin nicht beherrschten. Hierfür schaltete die Klägerin Fremdübersetzer ein und nutzte – weil sie Textteile wiederverwenden konnte – ein sog. Translation Memory Sys­tem, d.h. ein System zur rechnergestützten Übersetzung und Speicherung von Texten.

Während die Klägerin ihre Tätigkeit als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ansah, war das Finanzamt der Meinung, sie sei gewerblich tätig und erließ für die Streitjahre 2003 bis 2007 Gewerbesteuer­meß­bescheide. Das nachfolgende Klageverfahren blieb ohne Erfolg.

Der BFH hat dieses Ergebnis jetzt bestätigt. Dabei hat er be­tont, eine freiberufliche Übersetzertätigkeit einer Personen­gesellschaft sei nur anzunehmen, wenn deren Gesellschafter aufgrund eigener Sprachkenntnisse in der Lage seien, die beauftragte Übersetzungsleistung entweder selbst zu erbringen oder aber im Rahmen einer gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zulässigen Mitarbeit fachlich vorgebildeter Personen leitend und eigenverantwortlich tätig zu werden. Beherrschten die Gesellschafter hingegen die beauftragten Sprachen nicht selbst, könne die Gesellschaft nicht freiberuflich tätig sein. Ein Defizit im Bereich eigener Sprachkompetenz könne grund­sätz­lich weder durch den Einsatz eines Translation Memory Systems noch durch die Unterstützung und sorgfältige Auswahl ein­ge­setzter Fremdübersetzer ausgeglichen werden, da die Rich­tig­keit der Übersetzungen nicht überprüft werden könne.

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Die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses trotz der Dürftigkeitseinrede ist bei Kostenübernahme durch den Berechtigten gerechtfertigt

Oberlandesgericht München: Urteil vom 01.06.2017 – 23 U 3956/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

OLG München, 01.06.2017 – 23 U 3956/16

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen

– Beklagte und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
wegen Auskunft
erlässt das Oberlandesgericht München – 23. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, die Richterin am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 folgendes
Endurteil
Tenor:

1.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.08.2016, Az. 6 O 2889/16, wird zurückgewiesen.
2.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Pflichtteilsberechtigter im Wege der Stufenklage Ansprüche gegen die Beklagte als Erbin geltend. Die Beklagte ist die Ehefrau des Erblassers, der Kläger ein Sohn. Mit Erbvertrag vom 11.11.2003 (Anlage K 1) und Nachtrag vom 19.03.2012 (Anlage K 3) setzten der Erblasser und die Beklagte sich gegenseitig als Alleinerben nach dem Tod des Erstverstrebenden und als Schlusserben den anderen Sohn der Beklagten und dessen Tochter ein. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 19.02.2015 (Anlage K 6) dem Kläger ein Nachlassverzeichnis mit Belegen und erteilte mit Schreiben vom 14.04.2015 weitere Auskünfte über den Nachlass.

Der Kläger behauptet, die erteilten Auskünfte seien lückenhaft.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses (Aktiva und Passiva) des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers, Siegfried Rudolf M., zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Kläger und sein Rechtsbeistand hinzuziehen sind,

hilfsweise dass das durch den Notar aufgenommene Verzeichnis im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses auf Kosten des Klägers erstellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits vollständig über den Nachlass Auskunft erteilt. Zudem sei der Nachlass überschuldet und das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers anwesend ist. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. (Auskunftserteilung) abgewiesen. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sei nicht rechtsmissbräuchlich. Allerdings führe die Erhebung der Dürftigkeitseinrede durch die Beklagte dazu, dass das notarielle Nachlassverzeichnis auf Kosten des Klägers zu erstellen sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Antrag des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte die Auskünfte schon erteilt habe und ein notarielles Nachlassverzeichnis keine höhere Gewähr für die Richtigkeit biete. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Dürftigkeit des Nachlasses durch Erstellung eines Inventarverzeichnisses oder durch eine eidesstattliche Versicherung nachzuweisen. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis, wenn er sich bereit erkläre, die Kosten dafür zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt daher:

Das Teilurteil des Landgerichts München I, Az. 6 O 2889/16, vom 12.08.2016 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 01.09.2014 verstorbenen Erblassers Siegfried Rudolf M. zum Todestag durch Vorlage eines durch einen Notar auf Kosten des Klägers aufgenommenen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Rechtsbeistand des Klägers hinzuzuziehen ist. Der Antrag auf Auskunft wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2017 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, verbleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Auf den Beschluss des Senats vom 04.01.2017 (Bl. 74 ff d.A.) wird Bezug genommen.

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

2.1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung eines notariellen Verzeichnisses aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB zu.

2.1.1. Der Kläger ist unstreitig Pflichtteilsberechtigter, die Beklagte die Alleinerbin.

2.1.2. Das Verlangen des Klägers ist nicht rechtsmissbräuchlich.

2.1.2.1. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses wird nicht dadurch berührt, dass der Erbe bereits ein privates Verzeichnis vorgelegt hat. Vielmehr kann der Pflichtteilsberechtigte die Ansprüche auf Erteilung eines privaten und eines notariellen Verzeichnisses neben- oder hintereinander geltend machen (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881 f; Müller in Beckscher Online-Kommentar BGB, Stand 01.08.2016, § 2314 Rz. 22; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 2314 Rz.7). Das Verlangen nach einem notariell aufgenommenen Verzeichnis ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn zuvor ein privates Verzeichnis vorgelegt wurde. Denn dem notariell aufgenommenen Verzeichnis kommt eine größere Richtigkeitsgarantie zu (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881 f; Müller, a.a.O, Rz. 23). Der Notar ist für dessen Inhalt verantwortlich, hat den Verpflichteten zu belehren und ist in gewissem Umfang zur Vornahme eigener Ermittlungen und Überprüfung der Richtigkeit der Angaben des Erben verpflichtet (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, S. 881, 882; OLG Koblenz, NJW 2014, S. 1972 f; Müller, a.a.O., Rz. 23). Je nach Einzelfall hat der Notar beispielsweise das Grundbuch einzusehen und ggf. Bankunterlagen anzufordern (OLG Koblenz, NJW 2014, S. 1972 [OLG Koblenz 18.03.2014 – 2 W 495/13] f; Weidlich in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 2314 Rz. 7).

Nur in besonderen Einzelfällen kann dem Anspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, wie jedem anderen Anspruch auch, der Einwand des Rechstmissbrauchs oder der Schikane entgegenstehen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH NJW 1961, S. 602, 604 [BGH 02.11.1960 – V ZR 124/59]; Stenzel, ZJS 2014, S. 110 ff, 114).

2.1.2.2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Verlangen des Klägers nicht rechtsmissbräuchlich:

Wie oben dargelegt, schließt allein die Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses nebst ergänzenden Auskünften durch die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht aus und macht sein Begehren auch nicht rechtsmissbräuchlich. Besondere Umstände, die zu einem anderen Ergebnis führten, liegen nicht vor. Zwar ist die Beklagte bereits betagt und nach ihrem Vortrag krank und die Parteien sind seit langem verstritten. Dies lässt die Klage aber nicht rechtsmissbräuchlich erscheinen. Dass der Kläger für das notariell aufgenommene Verzeichnis keinerlei Verwendung hätte und es aus überwiegend pflichtteilsfremden Gründen einforderte, ist – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.05.2017 – nicht ersichtlich. Selbst wenn der Kläger die Vermögensverhältnisse des Erblassers im Jahr 2003 „bestens“ gekannt hätte, ließe sich daraus nicht folgern, dass der Kläger den genauen Bestand des Nachlasses 2014 kannte. Insbesondere ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zum Erblasser hatte.

2.2. Die Beklagte kann sich vorliegend nach Treu und Glauben, § 242 BGB, nicht auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen.

2.2.1. Grundsätzlich kann der Erbe die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses dann verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden sind. Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses kann nicht unerhebliche Kosten verursachen. Nach § 2314 Abs. 2 BGB fallen die Kosten des notariellen Verzeichnisses dem Nachlass zur Last. Ist ein Aktivnachlass nicht vorhanden, hätte letztlich der Erbe diese Kosten aus seinem Privatvermögen aufzubringen. Dies spricht dafür, entsprechend § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Erben die Möglichkeit zu eröffnen, bei Dürftigkeit des Nachlasses die Erholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu verweigern (OLG Schleswig, ZEV 2011, S. 31 [OLG Schleswig 30.07.2010 – 3 W 48/10]; OLG München, Beschluss vom 17.06.2013, 20 U 2127/13, […] Tz. 5; Otte in Staudinger, BGB, 2015, § 2314 Rz. 105; Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2314 Rz. 18). Entsprechendes hat der BGH bereits für den Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB angenommen (BGH, Urteil vom 19.04.1989, IV a ZR 85/88, […] Tz. 8). Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis für den Pflichtteilsberechtigten elementarer sein kann als der Wertermittlungsanspruch, bei dem der Pflichtteilsberechtigte von der Zugehörigkeit der zu bewertenden Sache zum Nachlass ohnehin schon Kenntnis hat. Dennoch wird der Pflichtteilsberechtigte nicht ganz schutzlos gestellt. Ihm verbleibt jedenfalls die Möglichkeit, eine private Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB und ggf. eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft vom Erben zu verlangen (OLG Schleswig, ZEV 2011, S. 31).

2.2.2. Ausgehend hiervon könnte die Beklagte grundsätzlich die Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, sofern – wie von ihr behauptet – der Nachlass dürftig wäre. Den Nachweis der Dürftigkeit hat die Beklagte zu führen (Weidlich in Palandt, a.a.O., § 1990 Rz. 2). Indessen kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob tatsächlich der Nachlass überschuldet und kein Aktivnachlass vorhanden ist, wie die Beklagte behauptet. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls ist es der Beklagten nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einrede der Dürftigkeit nach § 1990 Abs. 1 BGB zu berufen.

Der Kläger hat der Beklagten mehrfach ausdrücklich angeboten, die gesetzlich anfallenden Notarkosten zu übernehmen. Darüber hinaus hat der Kläger – zuletzt im Schriftsatz vom 03.04.2017 (S. 9, Bl. 92 d.A.) sogar angeboten, die gesetzlich anfallenden Gebühren im Voraus direkt an den Notar zu entrichten. Nachvollziehbare Gründe, weshalb die Beklagte sich dennoch unter Berufung auf die Dürftigkeit des Nachlasses einer notariellen Aufnahme verweigert, hat sie – auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.05.2017 – nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich. Zwar verweist die Beklagte zurecht darauf, dass sie, wenn sie das Notariat beauftragt, Kostenschuldnerin bleibt. Das Risiko, selbst Gebühren an den Notar zahlen und anschließend gegen den Kläger klageweise geltend machen zu müssen, besteht damit grundsätzlich. Jedoch wird dieses Risiko deutlich verringert, da sich der Kläger bereit erklärt hat, die Kosten im Voraus direkt an das Notariat zu überweisen. Letztlich verbleibt damit nur die Gefahr, dass seitens des Notariats eine Nachforderung gegenüber dem Vorschuss erhoben wird. Dies wäre aber im wesentlichen dann zu befürchten, wenn sich bei Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ergäbe, dass der Nachlass erheblich umfangreicher und werthaltiger wäre als von der Beklagten bislang angegeben. Da die Beklagte behauptet, den Nachlass bereits wahrheitsgemäß und vollständig angeführt zu haben und zu diesem auch keine Gegenstände gehören, über deren Wert erhebliche Unklarheit herrscht – wie etwa bei Grundstücken – , erscheint ausgehend vom eigenen Vortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren das Risiko erheblicher Nachschussforderungen des Notars gering.

Die Argumentation der Beklagten, es lasse sich im vorhinein nicht beurteilen, welche Gebühren anfallen werden, erschließt sich nicht. Die Beklagte hat selbst ein Schreiben des Notars Joseph H. vom 21.12.2016 vorgelegt (nach Bl. 71 d.A.), in dem dieser genau ausführt, welche konkreten Gebühren für die Erstellung des notariellen Verzeichnisses anfallen. Zudem ist aus diesem Schreiben auch zu ersehen, dass die Gebühren keinen allzu hohen Umfang erreichen. Selbst ausgehend von einem – vom Kläger behaupteten und von der Beklagten bestrittenen – Geschäftswert von 75.000,00 Euro beliefen sich die Gebühren nur auf knapp 600,00 Euro.

Ob der vom Landgericht und zum Teil in der Literatur (vgl. Stenzel, ZJS 2014, S. 110 ff, 115, Kuhn / Trappe, ZEV 2011, S. 347 ff, 349; a.A. LG Amberg, Urteil vom 17.12.2015, 12 O 297/15, […] Tz. 92 ff.) vertretenen Ansicht, der Pflichtteilsberechtigte habe generell bei Dürftigkeit des Nachlasses einen Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf seine Kosten, zu folgen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben.

2.3. Soweit nach dem Tenor des Landgerichts bei Aufstellung des Nachlassverzeichnisses ein Rechtsbeistands des Klägers zuzuziehen ist, begegnet das Urteil des Landgerichts keinen Bedenken. Das Anwesenheitsrecht des Klägers gilt auch für die Aufnahme des notariellen Verzeichnisses und umfasst auch die Zuziehung eines Vertreters oder Beistands (Lange in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl, § 2314 Rz. 33).

3. Die Entscheidung über die Kosten ist dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 713 ZPO.

4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Quelle: IWW

Facebook-Account der verstorbenen Tochter darf von den Eltern nicht eingesehen werden

Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 31.05.2017, Aktenzeichen 21 W 23/16, ent­schie­den, dass Eltern den Facebook-Account der verstorbenen Tochter nicht einsehen dürfen.

Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung in der II. Instanz.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Jahre 2012 wurde ein Mädchen an einem Berliner U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug tödlich verletzt. Deren Mutter hatte Klage erhoben, da die Umstände des Todes der damals 15-jäh­rigen nicht geklärt sind. Die Eltern wollten durch das Lesen der Chatnachrichten im Facebook-Account ihrer Tochter heraus­fin­den, ob es sich um einen Suizid gehandelt haben könnte. Hierfür benötigten sie jedoch von Facebook den Zugang.

Da Facebook sich weigerte und auf den Datenschutz berief, da auch die anderen Nutzer, die mit der 15-jährigen im Chatkontakt gestanden hätten, betroffen seien, klagte die Mutter gegen Facebook.

In I. Instanz hatte das Berliner Landgericht der Klage statt­gegeben. Daraufhin hatte Facebook Berufung bei dem Kammer­gericht Berlin eingelegt.
Dieses hat nun entschieden, dass der Schutz des Fern­melde­geheimnisses dem Anspruch der Erben entgegenstehen würde, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.
Das Kammergericht hat jedoch nicht entschieden, ob ein Facebook-Account vererbbar ist. Diese Frage bleibt also nach wie vor offen.

Das Kammergericht führt zwar aus, dass, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Facebook-Account in das Erbe fallen und die Erbengemeinschaft Zugang zu den Account­inhalten erhalten müsste, das Fernmeldegeheimnis nach dem Tele­kom­mu­nikationsgesetz entgegenstehen würde.

Weiterhin hat das Kammergericht Berlin ausgeführt, dass insbesondere auch nicht das Recht der elterlichen Sorge zu einem Anspruch auf Zugang verhelfen würde. Dieses Recht erlischt mit dem Tode des Kindes. Das den Eltern zufallende Totenfürsorgerecht könne jedoch nicht dazu dienen, einen Anspruch auf Zugang zu dem Facebook-Account des verstorbenen Kindes herzuleiten.
Das Urteil des Kammergerichts ist nicht rechtskräftig, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat. Sollte es zu einer Revisionseinlegung kommen, dürfte es sehr spannend werden, wie der BGH die Vererbbarkeit des Facebook-Accounts entscheiden wird. Dies wird eine wegweisende Entscheidung sein.

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Bildung von Rückstellungen für Entsorgungspflichten nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 34/17, Pressemitteilung vom 24.05.2017, Urteil vom 25.01.2017, Aktenzeichen I R 70/15

Hersteller von Elektro- und Elektronik­geräten sind nach dem Elektro- und Elektronik­geräte­gesetz (ElektroG) verpflichtet, nach dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachte Geräte abzuholen und zu entsorgen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Januar 2017 I R 70/15 können für diese Verpflichtungen Rückstellungen erst gebildet werden, wenn sie sich durch den Erlass einer sog. Abholanordnung hinreichend konkretisiert haben.

Nach dem ElekroG müssen sich Gerätehersteller bei einer Gemeinsamen Stelle registrieren und dort die in Verkehr gebrachten Geräte melden. Die Gemeinsame Stelle ermittelt sodann den Umfang der Abholpflichten, erlässt im Rahmen einer Beleihung Abholanordnungen und koordiniert die Bereitstellung von Sammelbehältern sowie die Abholung der Geräte.

Im dem vom BFH entschiedenen Streitfall handelte es sich um die Herstellerin von Energiesparlampen, welche für die von ihr in Verkehr gebrachten Geräte mit dem Argument Rück­stel­lun­gen gebildet hatte, die Abhol- und Entsorgungspflicht ergebe sich unmittelbar aus dem ElektroG.

Der BFH hat in seinem Urteil nun klargestellt, dass sich die Abhol- und Entsorgungsverpflichtung der Hersteller zwar als abstrakte Rechtspflicht aus dem ElektroG ergibt, sich diese aber erst durch den Erlass einer zusätzlichen Abholverfügung hin­reichend konkretisiert. Eine Rückstellungsbildung war danach mangels Abholanordnung ausgeschlossen.

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Grunderwerbsteuer: Kein einheitliches Vertragswerk bei wesentlich geändertem Generalübernehmervertrag

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 35/17, Pressemitteilung vom 24.05.2017, Urteil vom 08.03.2017, Aktenzeichen II R 38/14

Der Bundesfinanzhof (BFH) legt Grenzen für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks fest, so dass nicht jedes Bauprojekt, das sich auf den Kauf von Grundstücken und die anschließende Bebauung richtet, zur Grunderwerbsteuerpflicht der Bau­errich­tungskosten führt. Wie der BFH mit Urteil vom 8. März 2017 II R 38/14 entschieden hat, liegt ein einheitlicher Erwerbs­ge­gen­stand nicht vor, wenn der zunächst angebotene General­über­neh­mer­vertrag zur Bebauung des Grundstücks nach dem Ab­schluss des Grundstückskaufvertrags in wesentlichen Punkten geändert wurde. Indizien für eine wesentliche Abweichung sind die Änderung der Flächengrößen und/oder der Baukosten um mehr als 10 % sowie die Errichtung eines zusätzlichen Ge­bäu­des, das für das Bauvorhaben prägend ist. Zudem ist ein ein­heit­licher Erwerbsgegenstand insgesamt zu verneinen, wenn sich die ursprünglich angebotene Baumaßnahme nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags durch zusätzliche Bauten wesentlich ändert. Dies gilt unabhängig davon, ob daneben die weiteren, im ursprünglichen Angebot bereits enthaltenen Gebäude im Wesentlichen wie geplant errichtet werden. Der Grunderwerbsteuer unterliegt in solchen Fällen nur der Kaufpreis für das Grundstück.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2003 von verschiedenen Grund­stückseigentümern mehrere Grundstücke zur Bebauung; das flächenmäßig größte Grundstücksareal kaufte sie von einem Veräußerer (Veräußerer A). Das Angebot auf Abschluss eines Bauerrichtungsvertrags mit einem Generalübernehmer, das die Klägerin vor den Grundstückskaufverträgen eingeholt hatte, war auf die schlüsselfertige und funktionsgerechte Erstellung von Hallen gerichtet. Im August 2004 schloss die Klägerin mit dem Generalübernehmer abweichend vom ursprünglichen Angebot einen Vertrag über die Errichtung von mehreren Hallen sowie einem zusätzlichen Konferenzgebäude. Die Baukosten erhöhten sich dadurch um 12 %. Das Finanzamt ging davon aus, dass die von der Klägerin insgesamt erworbenen Grund­stücke nach den Grundsätzen über den einheitlichen Er­werbs­gegenstand in bebautem Zustand Gegenstand der Erwerbs­vorgänge gewesen seien. Es setzte gegen die Klägerin Grund­erwerbsteuer fest, wobei im angefochtenen Grund­erwerb­steuerbescheid der Kaufpreis für das vom Veräußerer A er­worbene Grundstücksareal und die Kosten für die Errichtung der Gebäude auf sämtlichen Grundstücken als Be­mes­sungs­grundlage angesetzt waren. Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht ging ebenfalls davon aus, dass die Klägerin die Grundstücke in bebautem Zustand erworben habe; es minderte aber die Bemessungsgrundlage um die Bau­errich­tungskosten für das Konferenzgebäude und um weitere fehlerhaft einbezogene Kosten.

Die Revision der Klägerin war im Wesentlichen erfolgreich. Der BFH hat entschieden, dass die Klägerin das Grundstücksareal vom Veräußerer A in unbebautem Zustand erworben hat. Die Bauerrichtungskosten waren nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks fehlte es an einem objektiv sach­lichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag mit dem Veräußerer A und dem Vertrag mit dem zur Bau­errichtung verpflichteten General­über­neh­mer. Der General­über­neh­mer­vertrag beruhte auf einem erst nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags wesentlich geänderten Angebot. Die Änderung des Angebots ergab sich aus der Aufnahme des Konferenzgebäudes und aus der Erhöhung der Baukosten um rund 12 %.

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Kein Abzug sog. finaler Betriebsstättenverluste nach Unionsrecht

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 31/17, Pressemitteilung vom 17.05.2017, Urteil vom 22.02.2017, Aktenzeichen I R 2/15

Leistet der Veräußerer bei der entgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer ausländischen Personen­ge­sell­schaft wegen der schlechten wirt­schaft­li­chen Lage der Gesellschaft an den Er­wer­ber eine Ausgleichszahlung, kann er insoweit keinen in­län­di­schen Verlust geltend machen, als die Personengesellschaft über ausländische Betriebsstätten verfügt, die nach dem ein­schlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppel­be­steue­rung (DBA) nicht der inländischen Besteuerung unterliegen. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22. Februar 2017 I R 2/15 zudem entschieden hat, führt die Ausgleichszahlung aufgrund einer geänderten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auch nicht zu einem nach Unionsrecht abziehbaren sog. finalen Verlust.

Entscheidend ist dabei im Ausgangspunkt die sog. Symmetrie­these, nach der die abkommensrechtliche Freistellung aus­län­di­scher Einkünfte sowohl positive als auch negative Einkünfte umfasst. Die Rechtsprechung von EuGH und BFH ging bislang davon aus, dass hiervon abweichend aus Gründen der unions­rechtlichen Niederlassungsfreiheit bei der inländischen Kör­per­schaft­steuerbemessungsgrundlage ein Verlustabzug möglich ist, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Ver­luste im ausländischen Betriebsstättenstaat (sog. Quellenstaat) steuerrechtlich unter keinen Umständen verwertbar und damit „final“ sind (sog. finale Verluste). Der BFH hatte dies an­ge­nom­men, wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen aber so gut wie ausgeschlossen ist und ein wider Erwarten gewährter Abzug im Ausland verfahrens­rechtlich im Inland noch rückwirkend nachvollzogen werden könnte.

Diese Rechtsprechung wird jedoch vom EuGH inzwischen nicht mehr aufrecht erhalten. Im Urteil Timac Agro Deutschland vom 17. Dezember 2015 C-388/14 hat der EuGH entschieden, dass wegen fehlender tatbestandlicher Vergleichbarkeit mit einem Inlandsfall keine unionsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn ein Mitgliedstaat einer gebietsansässigen Gesellschaft im Fall der Veräußerung einer in einem anderen Mitgliedstaat be­le­ge­nen Betriebsstätte die Möglichkeit verwehrt, die Verluste der veräußerten Betriebsstätte in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen, sofern aufgrund eines DBA die aus­schließliche Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte dem Mitgliedstaat zusteht, in dem sie belegen ist. An diese Rechtsprechungsänderung sah sich der BFH nun als gebunden an.

Zwar ist die Bedeutung der EuGH-Entscheidung nicht un­um­stritten. Dennoch belässt diese Entscheidung keinen Raum „für vernünftige Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm“. Der BFH hat sich daher in seinem Urteil dem EuGH angeschlossen. Er hat davon abgesehen, die Rechts­frage (nochmals) dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

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Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mieten für Konzertsäle

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 32/17, Pressemitteilung vom 17.05.2017, Urteil vom 08.12.2016, Aktenzeichen IV R 24/11

Konzertveranstalter müssen die Kosten für die tageweise Anmietung von Konzertsälen und anderen Veranstaltungsstätten bei der Gewerbesteuer anteilig ihrem Gewinn hinzurechnen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 8. Dezember 2016 IV R 24/11 entschieden hat.

Im Urteilsfall mietete die Klägerin unterschiedliche Räum­lich­kei­ten für die Durchführung von Konzerten und anderen Ver­an­stal­tun­gen mit Künstlern an. Die Klägerin zog die Kosten für diese Mieten von ihrem Gewinn ab, nahm jedoch keine Hinzu­rech­nung eines Anteils dieser Ausgaben nach § 8 Nr. 1 Buchst. e des Gewerbesteuergesetzes vor. Nach dieser Regelung sind Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen anteilig dem Gewinn aus Gewerbetrieb hinzuzurechnen. Das Finanzamt (FA) erhöhte die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer nach dieser Vorschrift.

Der BFH hatte das Verfahren wegen eines zunächst anhängigen Normenkontrollersuchens eines anderen Finanzgerichts über die Verfassungskonformität der streitigen Regelung bei dem Bun­des­verfassungsgericht (BVerfG) ausgesetzt. Nachdem das BVerfG entschieden hatte, bestätigte der BFH jetzt die durch das FA getroffene Entscheidung. Eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung gezahlter Mieten ist danach schon dann vor­zu­neh­men, wenn das Unternehmen des Steuerpflichtigen auf das Vorhandensein entsprechender Räume angewiesen ist. Un­er­heb­lich ist es hierbei, wenn sehr unterschiedliche Immobilien nur für kurze Zeit angemietet werden. Es muss auch nicht hypothetisch geprüft werden, ob der Steuerpflichtige jede einzelne Immobilie für die jeweilige Veranstaltung statt mieten auch hätte kaufen können.

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AfA beim Erwerb von Vertragsarztpraxen

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 33/17, Pressemitteilung vom 17.05.2017, Urteil vom 21.02.2017, Aktenzeichen VIII R 7/14, Urteil vom 21.02.2017, Aktenzeichen VIII R 56/14

Die Übertragung von Vertragsarztpraxen berechtigt den Erwerber nur dann zu Ab­setzungen für Abnutzung (AfA) auf einen Praxiswert und das miterworbene Inventar, wenn Erwerbsgegenstand die gesamte Praxis und nicht nur eine Vertrags­arzt­zu­las­sung ist, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit zwei Urteilen vom 21. Februar 2017 VIII R 7/14 und VIII R 56/14 entschieden hat.

In beiden Streitfällen hatten die Beteiligten Praxisübernahme­verträge geschlossen, in denen es auch um die Überleitung der sog. Vertragsarztzulassungen vom Praxisveräußerer und Zulassungsinhaber auf die Praxiserwerber ging. Die Zulassung vermittelt ein höchstpersönliches, öffentlich-rechtliches Statusrecht, das dazu berechtigt, gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln und die Leistungen gegenüber den ge­setzlichen Krankenkassen abzurechnen. Sie wird in zulas­sungs­beschränkten Gebieten in einem sog. Nachbesetzungsverfahren (§ 103 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch –SGB V–) erteilt und kann vom Zulassungsinhaber nicht direkt an einen Er­wer­ber veräußert werden. Gleichwohl enthalten Praxis­über­tra­gungs­verträge häufig Regelungen zur Überleitung der Zu­las­sung auf den Praxiserwerber und eine Verpflichtung zur Mit­wir­kung des Zulassungsinhabers im Nach­be­set­zungs­verfahren.

Im ersten Fall (Az.: VIII R 7/14) erwarb eine fachärztliche Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztpraxis eines Kassenarztes. Der Kaufpreis für die Praxis orientierte sich an den durch­schnittlichen Einnahmen aus der Untersuchung und Behandlung der gesetzlich und privat versicherten Patienten samt eines Zuschlags. Eine Besonderheit der fachärztlichen Einzelpraxis war, dass die Patienten diese im Wesentlichen aufgrund von Überweisungen anderer Ärzte aufsuchten und diese sog. Zuweiserbindungen ein entscheidender wertbildender Faktor waren. Die Gemeinschaftspraxis übernahm einige Mitarbeiter der Einzelpraxis und das Patientenarchiv, da sie davon ausging, dass frühere Patienten der Einzelpraxis die Gemeinschaftspraxis aufsuchen würden. Sie wollte ihre Tätigkeit jedoch nicht in den Räumen des bisherigen Praxisinhabers ausüben. Der bisherige Einzelpraxisinhaber übernahm im Kaufvertrag die Verpflichtung, im Nachbesetzungsverfahren an der Erteilung der Zulassung an eine Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis mitzuwirken.

Wird eine Vertragsarztpraxis samt der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis, insbesondere des Praxiswerts, als Chancenpaket erworben, ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten.

Wie der BFH jetzt ausdrücklich entschieden hat, gilt dies auch, wenn eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis unter der Be­dingung erwirbt, die Vertragsarztzulassung des Einzel­praxis­inhabers werde im Nachbesetzungsverfahren einem Gesell­schafter der Gemeinschaftspraxis erteilt. Maßgebliches Indiz für einen beabsichtigten Erwerb der Praxis als Chancenpaket sei, dass Veräußerer und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbarten. Der Umstand, dass die Gemeinschaftspraxis nicht beabsichtige, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen, stehe dem nicht entgegen. Auf dieser Grundlage bejahte der BFH im Streitfall die AfA-Berechtigung auf den Praxiswert und die übrigen erworbenen Wirtschaftsgüter der Praxis.

Im zweiten Fall (Az.: VIII R 56/14) schloss der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem Neugesellschafter einer Gemein­schafts­praxis einen sog. Praxisübernahmevertrag. Dieser stand unter der Bedingung der erfolgreichen Überleitung der Vertrags­arzt­zu­lassung auf den Erwerber. Der Verkäufer verpflichtete sich auch hier im Nachbesetzungsverfahren an der Überleitung der Zulassung auf den Erwerber mitzuwirken. Zudem verlegte er seine Vertragsarztpraxis für eine kurze Zeit an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Allerdings wurde er tatsächlich nicht für die Gemeinschaftspraxis tätig.

Der BFH verneinte hier die AfA-Berechtigung des Erwerbers in vollem Umfang. Der Neugesellschafter habe nur den wirt­schaft­li­chen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertrags­arzt­zulassung gekauft, da er weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse gehabt habe. Dieses Wirtschaftsgut sei nicht abschreibbar, da es keinem Wertverzehr unterliege. Der Inhaber könne eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie inne habe, gleichbleibend in Anspruch nehmen. Er könne zudem den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 SGB V durch eine Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten. Daher erschöpfe sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsgutes des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit.

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Verhängung eines Zwangsgeldes trotz der Absage von über 20 Notaren für ein notarielles Nachlassverzeichnis

Das OLG Düsseldorf hat mit Datum vom 31.10.2016, Aktenzeichen 1-7 W 67/16, entschieden, dass es nicht ausreichend ist, 27 Notare anzuschreiben mit der Bitte um Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses, welches diese ablehnen.

In einem solchen Fall kann ein Zwangsgeld gemäß § 888 ZPO verhängt werden. Die titulierte Auskunftspflicht über den Nach­lass ist eine unvertretbare Handlung.

Im folgenden Fall handelte es sich um eine Auskunft über einen Nachlassbestand. Dies ist regelmäßig eine unvertretbare Hand­lung. Eine Ausnahme liegt nur in den Fällen vor, in denen es darum geht, eine Abrechnung zu erteilen, die auch von Dritten erfolgen kann, wenn die Unterlagen vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Auskunft setzt vielmehr voraus, dass die Auskunftspflichtige ihre Kenntnisse höchstpersönlich mitteilt. Dies ist nicht anders zu bewerten, weil die Auskunft durch ein notarielles Verzeichnis zu erteilen ist gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Es handelt sich hier nach wie vor um eine unvertretbare Handlung. Eine weitere Voraussetzung für die Verhängung des Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO ist, dass die Handlung aus­schließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Dieser Wille fehlt, wenn die Handlung, die gefordert wird, unmöglich ist oder wenn sie von einem Willen abhängt, den der Schuldner nicht be­ein­flussen kann. Es ist dabei unerheblich, ob den Schuldner ein Verschulden trifft oder nicht. Im vorliegenden Fall hängt die Verpflichtung auch von der Mitwirkungspflicht des Notares ab. In einem solchen Fall ist die Schuldnerin gemäß § 888 ZPO ver­pflichtet, die Handlung des ihr gegenüber mitwirkungs­pflich­ti­gen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihr zu­stehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten aus­zu­schöpfen und den Dritten dazu zu bewegen, mitzuwirken. Ist dies trotz intensiven Bemühens nicht möglich, ist die unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Schuldner alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Mitwirkung des Dritten zu erlangen und dass die Bemühungen im Einzelnen dargelegt werden können.

Im vorliegenden Fall hat die Auskunftsverpflichtete ihren Pflich­ten nicht genügt. Das Gericht sah es nicht als ausreichend an, 25 Notariate mit abschlägiger Antwort angefragt zu haben. Die Möglichkeiten seien nicht ausgeschöpft gewesen. Ein Notar kann eine Urkundenstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund ver­weigern, es besteht ansonsten die Möglichkeit, Beschwerde vor dem Landgericht zu erheben gemäß § 15 Abs. 2 BNotO. Dies wurde jedoch von der Auskunftsschuldnerin nicht vorgetragen. Diese Entscheidung bedeutet für die Praxis, dass die Notare bei Ablehnung der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeich­nis­ses die Möglichkeit der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO hinweisen müssen. Diese sollte beim Landgericht eingelegt werden und im Einzelnen erklärt. Nur in einem solchen Fall und der dezidierten Darlegung, dass sämtliche Bemühungen vorgenommen worden sind, um einen Notar zur Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses zu bewegen, genügen die Voraussetzungen, um ein Zwangsgeld zu vermeiden.

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Turnierbridge ist gemeinnützig

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 29/17, Pressemitteilung vom 10.05.2017, Urteil vom 09.02.2017, Aktenzeichen V R 69/14  , Urteil vom 09.02.2017. Aktenzeichen I R 70/14

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit den Urteilen vom 9. Februar 2017 V R 69/14 und V R 70/14 entschieden, dass ein Anspruch auf Anerkennung der Förderung von Turnierbridge als gemeinnützig besteht, weil Turnierbridge die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ebenso fördert wie Sport.

Geklagt hatte ein Dachverband von Bridge-Vereinen in der Bundesrepublik Deutschland, der die Interessen des deutschen Bridge auf nationaler und internationaler Ebene vertritt und für die Organisation und Reglementierung des nationalen und internationalen Wettbewerbsbetriebs sowie die Veranstaltung nationaler und internationaler Wettbewerbe zuständig ist.

Wer als gemeinnützig anerkannt ist, ist grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit. Dabei sind die als gemeinnützig anerkannten Zwecke, zu denen auch Sport gehört, in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 25 der Abgabenordnung (AO) abschließend aufgezählt. Hiervon nicht umfasste Zwecke können aber gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig erklärt werden, wenn durch sie die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird.

Zwar ist Turnierbridge kein Sport (BFH-Urteil vom 9. Februar 2017 V R 69/14). Wie Schach, das als Sport gilt, fördert Turnierbridge aber die Allgemeinheit. Deshalb hat der BFH mit Urteil vom 9. Februar 2017 (V R 70/14) das für den Kläger zuständige Landes-Finanzministerium verpflichtet, Turnierbridge als gemeinnützig anzuerkennen.

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