Zum anzusetzenden Wert einer Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück bei Pflichtteilsberechnung

Zum anzusetzenden Wert einer Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück bei Pflichtteilsberechnung

Der BGH hat mit Urteil vom 13.05.2015, Akten­zeichen IV ZR 138/14, entschieden, dass der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruches zu be­stim­mende Wert einer nachlassgegenständlichen Mit­eigen­tums­hälfte an einem Haus­grundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjektes dann ent­spricht, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Mit­eigentumshälfte ist.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche der Klägerin. Insbesondere ging es hier um die Bewertung eines Mit­eigen­tumsanteiles an einem Hausgrundstück.

Die Erblasserin verstarb im Mai 2006, die Klägerin war ihr ein­ziges Kind. Die Erblasserin war geschieden und lebte seit 1998 mit dem Beklagten zusammen. Diese erwarben ein Reihenhaus als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte, welches sie in der Folge auch gemeinsam bewohnten. Der Grundstückskaufvertrag da­tier­te von Oktober 1990 mit einem Kaufpreis von 235.000,00 DM. Gemäß notariellem Testament der Erblasserin vom April 2001 setzte sie den Beklagten als Alleinerben ein.

Die Klägerin erhob Stufenklage. In der Berufungsinstanz haben die Parteien die erste Stufe der Klage auf Auskunft über­ein­stimmend für erledigt erklärt. Auf der zweiten Stufe verlangte die Klägerin Zahlung von 41.202,21 € nebst Zinsen. Das LG Kiel hat mit Datum vom 05.04.2013, Aktenzeichen 2 O 24/12, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert des Hausgrundstückes durch Schlussurteil entschieden, den Be­klag­ten zur Zahlung von 11.193,12 € nebst Zinsen zu ver­ur­tei­len und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Der Beklagte legte Berufung ein. Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 01.04.2014, Aktenzeichen 3 U 38/13, das Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 7.693,12 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen wurde die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen legte der Beklagte Revision ein, die Abweisung der gesamten Klage wurde angestrebt.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn wie vorliegend der Erbe der ideellen Miteigentumshälfte an dem Hausgrundstück bereits Eigentümer der anderen Mit­eigen­tums­hälfte sei und mit dem Erbfall Alleineigentümer des Haus­grundstückes werde, der im Rahmen eines Pflicht­teils­anspruches zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Mit­eigen­tums­hälfte in der Regel dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entsprechen würde. Dies war von dem Beklagten gerügt worden, der vortrug, dass der Miteigentumsanteil an dem Haus­grund­stück nur schwer zu verkaufen und daher mit einem deutlichen Abschlag anzusetzen sei. Diese Auffassung hielt der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass in einem solchen Fall, dass der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist, der Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjektes entspricht. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils. § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ab. Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Die Ermittlung des Verkaufswertes zum Stichtag besagt, dass die für den Verkaufswert maßgebenden Bewertungsdaten aus der Sicht des Stichtages zu ermitteln sind, das heißt, welcher Verkaufserlös der Nachlass am Tag des Erbfalles tatsächlich erbracht hätte, ist als Wert anzusetzen. Ein bereits erzielter Verkaufserlös der Erben ist ebenfalls zu berücksichtigen.

Fehlt es an einem Verkauf, muss der Wert gemäß § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB geschätzt werden. Die sachgerechte Auswahl obliegt dem Tatrichter. Die Literatur vertritt überwiegend hingegen die Meinung, dass dann, wenn ein halber Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in den Nachlass fällt, die Verkehrswertbestimmung des hälftigen Mit­eigentumsanteils besondere Schwierigkeiten bereite und es in aller Regel unzulässig sei, den halben Verkehrswert des Grund­stücks samt Gebäude anzusetzen, da die Möglichkeit, diesen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering ist. Ein deutlicher Abschlag sei daher vorzunehmen. Dies hat das Berufungsgericht für den vorliegenden Fall anders ent­schieden, da der Erbe bereits Eigentümer der anderen Mit­eigen­tumshälfte war. Ein Verkauf des Miteigentums an einer Immo­bilie ist in einem solchen Fall problemlos möglich. Gründe für einen Abschlag sind nicht ersichtlich.

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Über den Autor

Christine Gerlach author

Rechtsanwältin in München
Fachanwältin für Erbrecht

Tätigkeitsschwerpunkte:
Erbrecht, Pflichtteilsrecht, Testamentsvollstreckung, Gesellschaftsrecht

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