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Jeder Antragsteller und jeder Antragsberechtigte der noch keinen Erbscheinsantrag gestellt hat, aber noch wirksam stellen könnte, ist beschwerdebefugt gegen die Ablehnung der Erbscheinserteilung

Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 14.05.2018 – 8 W 302/16
1.

Gegen die Ablehnung der Erbscheinserteilung ist neben dem Antragsteller jeder weitere Antragsberechtigte beschwerdebefugt, auch wenn er selbst keinen Antrag gestellt hat, aber den Antrag bei Einlegung seiner Beschwerde noch wirksam stellen kann. Materiell beschwerdeberechtigt ist nur, wer geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung durch die Entscheidung berührt wird. Vermächtnisnehmer gehören nicht zum Kreis der Beschwerdeberechtigten.
2.

Die nach § 2079 BGB wirksam erklärte Anfechtung hat grundsätzlich die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung zur Folge. Einzelne Verfügungen bleiben nur dann wirksam, wenn nach § 2079 Satz 2 BGB positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte.

In der Nachlasssache
XXX
– Erblasser –
mit den Beteiligten:
1) XXX
– Witwe und alleinige Sorgeberechtigte für 8-10 / Antragstellerin / Antragsgegnerin / Beschwerdeführerin / Anschlussbeschwerdegegnerin –
2) XXX
– Sohn des Erblassers / Vermächtnisnehmer –
3) XXX
– Tochter des Erblassers / Antragstellerin / Antragsgegnerin / Beschwerdegegnerin / Anschlussbeschwerdeführerin –
4) XXX
– Tochter des Erblassers / Antragstellerin / Antragsgegnerin / Beschwerdegegnerin / Anschlussbeschwerdeführerin
5) XXX
– Sohn des Erblassers / Antragsteller / Antragsgegner / Beschwerdegegner / Anschlussbeschwerdeführer –
6) XXX
– Tochter des Erblassers / Antragstellerin / Antragsgegnerin / Beschwerdegegnerin / Anschlussbeschwerdeführerin –
7) XXX
– Mutter von Nr. 6 und Sorgeberechtigte / Anschlussbeschwerdeführerin –
8) XXX
– Sohn des Erblassers / Beschwerdeführer / Anschlussbeschwerdegegner –
9) XXX
– Sohn von Nr. 1 / Beschwerdeführer –
10) XXX
– Sohn von Nr. 1 / Beschwerdeführer –
Verfahrensbevollmächtigte zu 3 – 7:
XXX
Verfahrensbevollmächtigte zu 1, 8 – 10:
XXX
wegen Erscheinsanträgen
hier: Beschwerde gegen Zurückweisungsbeschluss
hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 8. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Guckes, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Barth und die Richterin am Oberlandesgericht Hausmann am 14.05.2018 beschlossen:
Tenor:

1.

Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 8 wird der Beschluss des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – vom 29.07.2016, Az. NG 5 / 2016, in seinem Ausspruch Ziff. 1 (Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten Ziff. 1 vom 18.02.2016)

aufgehoben.

Das nunmehr zuständige Amtsgericht Ulm – Nachlassgericht – wird angewiesen, über den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 vom 18.02.2016 unter Berücksichtigung der Rechtssauffassung des Senats neu zu entscheiden.
2.

Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 9 und 10 gegen den Beschluss des Notariat Blaustein – Nachlassgericht – vom 29.07.2016, Az. NG 5 / 2016, in seinem Ausspruch Ziff. 1 (Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten Ziff. 1 vom 18.02.2016) wird als unzulässig

verworfen.

3.

Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 8, 9 und 10 wird der Beschluss des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – vom 29.07. 2016, Az. NG 5 / 2016, in seinem Ausspruch Ziff. 3 (Testamentsvollstreckerzeugnis)

aufgehoben.

Der Antrag der Beteiligten Ziff. 3, 4 und 5 vom 15.02.2016 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses wird

zurückgewiesen.

4.

Die Anschlussbeschwerde der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 gegen den Beschluss des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – vom 29.07.2016, Az. NG 5 / 2016, wird

zurückgewiesen.

5.

Die Anschlussbeschwerde der Beteiligten Ziff. 7 gegen den Beschluss des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – vom 29.07.2016, Az. NG 5 / 2016, wird als unzulässig

verworfen.

6.

Die Beteiligten Ziff. 9 und 10 tragen zusammen die Hälfte der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beteiligten Ziff. 3 bis 7 tragen zusammen die übrige Hälfte der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
7.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 200.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 23.12.2015 durch Suizid verstorbene Erblasser war seit dem 08.10.2015 mit der Beteiligten 1 im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sind Abkömmlinge des Erblassers aus früheren Beziehungen, wobei die Beteiligte Ziff. 7 die Mutter der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 ist, während der Beteiligte Ziff. 2 aus einer noch früheren Beziehung des Erblassers stammt. Die Beteiligte Ziff. 7 ist Sorgeberechtigte für die Beteiligte Ziff. 6, die noch nicht volljährig ist. Im Zeitpunkt des Erbfalls erwartete die Beteiligte Ziff. 1 vom Erblasser ein Kind, den am 26.06.2016 geborenen Beteiligten Ziff. 8. Die Beteiligten Ziff. 9 und 10 sind Söhne der Beteiligten Ziff. 1, die diese in die Ehe brachte.

Vom Erblasser liegt ein privatschriftliches Testament vom 05.12.2015 (Bl. 37 d.A.) mit folgendem Wortlaut vor:

Mein Testament,

ich möchte, dass nach meinem Tod mein gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen unter meinen Kindern XXX verteilt wird. Mein Sohn XXX soll vorab aus der Erbmasse 20.000,00 € erhalten, ebenso wie meine Patenkinder XXX und XXX, die ebenfalls je 20.000,00 € erhalten sollen.

Es tut mir leid, dass meine Frau XXX sich immer wieder geweigert hatte, im Falle meines Todes sich als Miterbin einsetzen zu lassen oder sich um diese Angelegenheiten zu kümmern.

Rottweil, den 5.12.2015 [Unterschrift] XXX

(XXX)

Meine XXX sollen als „Testamentvollstrecker“ das Erbe verwalten und verteilen.

5.12.2015 [Unterschrift] XXX

Am 15.02.2016 haben die Beteiligten Ziff. 3, 4 und 7 (diese als Bevollmächtigte des 5 in dessen Namen) zur Niederschrift des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – die Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers erklärt und die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt.

Die Beteiligte Ziff. 1 hat durch Schriftsatz an das Notariat Rottweil – Nachlassgericht – vom 18.02.2016 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie mit einem Erbteil von 1/2 und die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sowie der Beteiligte Ziff. 8 mit einem Erbteil von je 1/12 Erben des Erblassers geworden sind. Gleichzeitig wurde von der Beteiligten Ziff. 1 die Anfechtung des privatschriftlichen Testaments des Erblassers vom 05.12.2015 erklärt. Zur Begründung wurde auf die Regelung des § 2079 BGB verwiesen und vorgetragen, der Erblasser habe den zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch nicht geborenen Beteiligten Ziff. 8 als Pflichtteilsberechtigten übergangen, zu diesem Zeitpunkt sei dem Erblasser noch nichts über die Schwangerschaft bekannt gewesen. Anfang Dezember habe sie – die Beteiligte Ziff. 1 – selbst noch keine gesicherte Kenntnis über die Schwangerschaft gehabt und ihrem Mann noch nichts gesagt, sondern ihm dies Weihnachten mitteilen wollen. Der Erblasser habe von dem ungeborenen Kind noch nicht einmal am 22.12.2015 gewusst. Die Anfechtung beseitige das angefochtene Testament in vollem Umfang und es trete somit gesetzliche Erbfolge ein. Das Notariat Rottweil – Nachlassgericht – sei in der Sache örtlich zuständig, da der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.

Ebenfalls im Hinblick auf die erklärte Testamentsanfechtung ist die Beteiligte Ziff. 1 dem Antrag der Beteiligten Ziff. 3, 4 und 5 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses entgegengetreten.

Mit Schriftsatz an das Notariat Blaustein – Nachlassgericht – vom 03.05.2016 haben die Beteiligten Ziff. 3 bis 6 ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie jeweils mit einem Erbteil von 1/4 Erben des Erblassers geworden sind. Zur Begründung tragen sie vor, der Erblasser habe zwar zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 05.12.2015 von der Schwangerschaft seiner Ehefrau – der Beteiligten Ziff. 1 – nichts gewusst, aber in jedem Fall vor seinem Tod Kenntnis von dem ungeborenen Kind gehabt. Dies ergebe sich daraus, dass der Erblasser einen 7-seitigen Abschiedsbrief (bei Bl. 63 d.A.) an das ungeborene Kind erstellt habe. Aus dem Brief ergebe sich zweifelsfrei, dass der Erblasser Kenntnis vom ungeborenen Kind der Ehefrau gehabt habe. Diese habe dem Erblasser schon am 11./12.12.2015 mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Dem Erblasser sei demgemäß sechs Tage nach Erstellung des Testaments und zehn Tage vor seinem Tod bekannt gewesen, dass er wieder Vater werde. Damit stehe fest, dass er alle Zeit gehabt habe, sein Testament vom 05.12.2015 dahingehend zu ändern, dass das ungeborene Kind mitbedacht wird. Dies habe er jedoch nicht getan.

Durch Beschluss vom 09.05.2016 hat das Notariat I Rottweil – Nachlassgericht – (Az. 1 NG 140/2015) sich für den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 als nicht zuständig erklärt und den Antrag zur weiteren Entscheidung an das Notariat Blaustein als Nachlassgericht weitergeleitet. Die von der Beteiligten Ziff. 1 gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des Senats vom 10.06.2016 (8 W 172/16) als unzulässig verworfen.

Mit Schriftsatz an das Notariat Blaustein – Nachlassgericht – vom 26.06.2016 teilte die Beteiligte Ziff. 1 mit, dass inzwischen am 26.06.2016 der Beteiligte Ziff. 8 geboren worden sei, und führte aus, die Grundlagen der Anfechtung seien offensichtlich gegeben. Durch Beschluss vom 22.07.2016 hat das Nachlassgericht die Erklärung über die Anfechtung des privatschriftlichen Testaments vom 05.12.2015 entgegengenommen.

Durch Beschluss vom 29.07.2016 hat das Nachlassgericht sowohl den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 als auch den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 zurückgewiesen. Des Weiteren hat das Nachlassgericht die für die Erteilung des von den Beteiligten Ziff. 3 bis 5 beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Zeugnisses bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung habe der Erblasser noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft seiner Frau beziehungsweise der Pflichtteilsberechtigung eines weiteren Kindes gehabt. Erfahre der Erblasser wie hier noch vor seinem Tod vom Vorhandensein weiterer Pflichtteilsberechtigter, so entfalle nicht der Anfechtungsgrund gemäß § 2079 Satz 1 BGB. Gemäß § 2079 Satz 2 BGB sei die Anfechtung jedoch ausgeschlossen, soweit anzunehmen sei, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die gleiche Verfügung getroffen haben würde. Maßgeblich sei der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Im vorliegenden Fall sei die Beteiligte Ziff. 1 als Witwe unabhängig von der Zahl der Kinder enterbt. Deshalb sei der anderslautende Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 zurückzuweisen gewesen. Weiter sei davon auszugehen, dass der Erblasser die Testamentsvollstreckung durch die im Testament insoweit genannten drei erwachsenen Kinder auch dann angeordnet hätte, wenn ein weiteres minderjähriges Kind beteiligt wäre. Die wirksame Anfechtung des Testaments durch den Beteiligten Ziff. 8 führe dazu, dass er neben seinen eingesetzten Geschwistern einen im gleichen Maße durch Testamentsvollstreckung beschränkten Erbteil erhalte. Deshalb sei auch der anderslautende Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 zurückzuweisen gewesen.

Gegen den der Beteiligten Ziff. 1 und dem Beteiligten Ziff. 8 am 01.08.2016 über ihren Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 29.07.2016 wenden sich die Beteiligten Ziff. 1, 8, 9 und 10 hinsichtlich der Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten Ziff. 1 und soweit das Nachlassgericht die Voraussetzungen für die Erteilung des von den Beteiligten Ziff. 3 bis 5 beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses für gegeben angesehen hat. Die Beteiligte Ziff. 1 trägt vor, es sei nicht davon auszugehen, dass es der Erblasser bei positiver Kenntnis von dem ungeborenen Kind bei der Enterbung der Ehefrau belassen hätte. Auf deren Einwilligung sei es für die Erbeinsetzung ohnehin nicht angekommen. Es sei also ohne weiteres möglich gewesen, dass der Erblasser auch diese Frage ganz anders beurteilt hätte, wenn er bei der Errichtung des Testaments von der Schwangerschaft positiv Kenntnis gehabt hätte. Das Nachlassgericht verkenne insbesondere, dass es auf die Erwägungen schon deshalb nicht ankomme, weil gemäß § 2079 BGB die Anfechtung zur Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung führe.

Das Notariat Blaustein – Nachlassgericht – hat der Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1, 8, 9 und 10 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Durch Schriftsatz vom 06.10.2016 haben die Beteiligten Ziff. 3 bis 7 in Bezug auf den Ausspruch Ziff. 2 des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 29.07.2016 (Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten Ziff. 3 bis 6) Anschlussbeschwerde eingelegt. Zu deren Begründung tragen sie vor, das privatschriftliche Testament des Erblassers vom 05.12.2015 sei wirksam. Die Testamentsanfechtung der Beteiligten Ziff. 1 und 8 wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten sei unbegründet. Aus verschiedenen Umständen ergebe sich, dass der Erblasser auch dann, wenn er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung Kenntnis von seinem ungeborenen Kind gehabt hätte, die gleiche letztwillige Verfügung getroffen hätte. Sie – die Beteiligten Ziff. 3 bis 6 – seien die „Stammfamilie“ des Erblassers gewesen, die für den Erblasser im Vordergrund gestanden habe und sehr wichtig gewesen sei. Von der Beteiligten Ziff. 1, die er erst am 08.10.2015 geheiratet habe, habe sich der Erblasser schon früh wieder abgewandt. Vollmachten zugunsten der Beteiligten Ziff. 1, die der Erblasser ihr im Juli 2015 erteilt gehabt habe, habe der Erblasser schon am 22.11.2015 und 20.12.2015 zurückgenommen und als Bevollmächtigte die Beteiligten Ziff. 3 und 4 eingesetzt.

Die Beteiligten Ziff. 1, 8, 9 und 10 sind der Anschlussbeschwerde entgegengetreten.

Zur Sachverhaltsdarstellung im Einzelnen wird auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten, die angegriffene Entscheidung des Nachlassgerichts sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 352 ff., 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 8 hat Erfolg. Soweit die Beschwerde auch im Namen der Beteiligten Ziff. 9 und 10 eingelegt wurde, ist sie nur in Bezug auf das Testamentsvollstreckerzeugnis zulässig und begründet, im Übrigen unzulässig.

Die gemäß §§ 352 ff, 66, 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Anschlussbeschwerde der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 ist unbegründet. Soweit sie auch im Namen der Beteiligten Ziff. 7 eingelegt wurde, ist sie bereits unzulässig.

1.

Soweit die Beteiligten Ziff. 9 und 10 Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 29.07.2016 eingelegt haben, gerichtet gegen die Aussprüche Ziffern 1 und 3 des Beschlusses, ist das Rechtsmittel unzulässig.

Gegen die Ablehnung der Erbscheinserteilung ist der Antragsteller beschwerdeberechtigt, des Weiteren jeder Antragsberechtigte, auch wenn er selbst keinen Antrag gestellt hat, aber den Antrag bei Einlegung seiner Beschwerde noch wirksam stellen kann (vgl. Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 19. Auflage 2017, § 59 FamFG, Rdnr. 78). Materiell beschwerdeberechtigt ist nur, wer geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung durch die Entscheidung berührt wird (Grziwotz in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 2353 BGB, Rdnr. 133). Die Beteiligten Ziff. 9 und 10 machen im vorliegenden Verfahren kein eigenes Erbrecht geltend. Erben sind nach dem Inhalt der zusammen mit den Beteiligten Ziff. 1 und 8 erhobenen Beschwerde die Beteiligte Ziff. 1 sowie die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sowie 8. Nicht zum Kreis der Beschwerdeberechtigten gehören grundsätzlich Vermächtnisnehmer (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 2353 BGB, Rdnr. 55).

Soweit sich die Beschwerde gegen den Ausspruch Ziffer 3 des angegriffenen Beschlusses (Testamentsvollstreckerzeugnis) richtet, sind neben der Beteiligten Ziff. 1 und 8 auch die Beteiligten Ziff. 9 und 10, die nach dem angefochtenen Testament Vermächtnisnehmer wären und auf deren Vermächtnisse sich die Aufgaben der Testamentsvollstrecker bezögen, beschwerdeberechtigt (vgl. BGH NJW-RR 2013, 905 [BGH 24.04.2013 – IV ZB 42/12]).

Aus dem zuvor genannten Grund ist auch die Anschlussbeschwerde der Beteiligten Ziff. 7 unzulässig. Auch die Beteiligte Ziff. 7 macht kein eigenes Erbrecht geltend. Sie konnte als Sorgeberechtigte der Beteiligten Ziff. 6 für diese Anschlussbeschwerde hinsichtlich des Ausspruches Ziffer 2 des Beschlusses vom 29.07.2016 einlegen, nicht aber auf Grund einer eigenen Rechtsposition.

2.

Die Beteiligte Ziff. 1 hat für den Beteiligten Ziff. 8 als dessen Sorgeberechtigte das privatschriftliche Testament des Erblassers vom 05.12.2015 wirksam angefochten. Folge der Anfechtung ist im vorliegenden Fall die vollständige Unwirksamkeit des Testaments. Da auch keine weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers vorliegen, ist die gesetzliche Erbfolge maßgeblich. Auf ihr basiert der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 vom 18.02.2016.

a)

Gemäß § 2079 Satz 1 BGB kann eine letztwillige Verfügung unter anderem dann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach der Errichtung der letztwilligen Verfügung geboren worden ist. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde (§ 2079 Satz 2 BGB). Anfechtungsberechtigt ist im Falle des § 2079 BGB nur der übergangene Pflichtteilsberechtigte (§ 2080 Abs. 3 BGB).

Die nach § 2079 BGB wirksam erklärte Anfechtung hat nach herrschender Meinung grundsätzlich die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung zur Folge (§ 142 BGB). Einzelne Verfügungen bleiben nur dann wirksam, wenn nach § 2079 Satz 2 BGB positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte (OLG Frankfurt FamRZ 1995, 1522; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 59; BayObLG NJW-RR 2005, 91; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NJW 2016, 1831; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, a.a.O., § 2079 BGB, Rdnr. 6; Czubayko in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Auflage 2014, § 2079 BGB, Rdnr. 23). Der Senat folgt dieser Auffassung. Sie steht in Einklang mit Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Regelung des § 2079 Satz 1 BGB enthält, anders als § 2078 Abs. 1 BGB („soweit der Erblasser…“), keine Einschränkung der Wirkung der Anfechtung. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut dieser beiden nebeneinander stehenden Vorschriften ergibt sich deutlich, dass es für § 2079 BGB bei dem Regelfall der Gesamtnichtigkeit verbleiben muss (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NJW 2016, 1831; Czubayko in: Burandt/Rojahn, a.a.O., § 2079 BGB, Rdnrn. 23 f.). Der Gegenmeinung, die die Wirkung der Anfechtung nach § 2079 BGB von vornherein auf die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung in dem Umfang beschränkt, der erforderlich ist, um dem Pflichtteilsberechtigten zu seinem gesetzlichen Erbteil zu verhelfen, vermag sich der Senat deshalb ebenso wenig anschließen wie der vermittelnden Meinung, wonach die Anfechtung nach § 2079 BGB nur diejenigen Erbeinsetzungen und Vermächtnisse vollständig vernichten soll, die auch den anfechtenden Pflichtteilsberechtigten beschweren, während andere Anordnungen, insbesondere auch Enterbungen, von der Anfechtung nicht erfasst würden (zum Meinungsstand im Überblick: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NJW 2016, 1831 [OLG Schleswig 07.12.2015 – 3 Wx 108/15]).

b)

Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte Ziff. 1 als Sorgeberechtigte des Beteiligten Ziff. 8 für diesen die Anfechtung wirksam gegenüber dem Nachlassgericht erklärt. Nach der Geburt des Beteiligten Ziff. 8 am 26.06.2016 wurde die ursprünglich von der Beteiligten Ziff. 1 gegenüber dem Notariat Rottweil – Nachlassgericht – erklärte Anfechtung durch den Schriftsatz vom 04.07.2016 gegenüber dem Notariat Blaustein – Nachlassgericht – wiederholt und durch den Beschluss des Notariats Blaustein – Nachlassgericht – vom 22.07.2016 von diesem entgegengenommen. Die Anfechtungsfrist des § 2082 Abs. 1 BGB ist gewahrt. Der Beteiligte Ziff. 8 ist gemäß §§ 1923 Abs. 2, 1924 Abs. 1, 1592 Nr. 1, 1593 Satz 1, 2303 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Die Vaterschaft des Erblassers wurde zwischenzeitlich auch durch das Abstammunggutachten vom 10.10.2016 bestätigt.

Bei der Prüfung, ob hinsichtlich der jeweiligen letztwilligen Verfügung die Voraussetzungen des § 2079 Satz 2 BGB vorliegen, kommt es auf den hypothetischen Willen des Testierenden im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2079 BGB, Rdnr. 5). Die im Rahmen von § 2079 BGB geltende gesetzliche Vermutung, dass der Erblasser bei Kenntnis der Existenz eines weiteren Pflichtteilsberechtigten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung anders – nämlich den weiteren Pflichtteilsberechtigten berücksichtigend – testiert hätte, wird nicht schon dadurch widerlegt, dass der Erblasser schlicht untätig bleibt und sein Testament nicht ändert, nachdem er von der Existenz des weiteren Pflichtteilsberechtigten erfahren hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NJW 2016, 1831; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 59). Denn die Untätigkeit kann durch Schwerfälligkeit, körperliche oder geistige Hinfälligkeit, die Kürze der zur Verfügung stehenden Lebenszeit, einen Rechtsirrtum des Erblassers (etwa über den Fortbestand der letztwilligen Verfügung) oder sonstige Gründe bedingt sein (OLG Brandenburg FamRZ 1998, 59). Allein der Umstand, dass der Erblasser im vorliegenden Fall noch von der Schwangerschaft der Beteiligten Ziff. 1 erfahren hat und das Testament gleichwohl nicht mehr zugunsten des ungeborenen Kindes – an das er sogar noch einen Brief gerichtet hat- geändert hat, steht daher der Wirksamkeit der Anfechtung nicht entgegen. Dafür, dass er eine diesbezügliche Testamentsänderung „geflissentlich“, das heißt absichtlich unterlassen hat (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2079 BGB, Rdnr. 5 m.w.N.), das ungeborene Kind also bewusst enterben wollte und deshalb das Testament nicht mehr geändert hat, bestehen keine Anhaltspunkte.

Nach Auffassung des Senats lässt sich auch hinsichtlich keiner der vom Erblasser im privatschriftlichen Testament vom 05.12.2015 getroffenen einzelnen Verfügungen positiv feststellen, dass er sie auch dann, wenn er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Kenntnis von dem ungeborenen Kind gehabt hätte, so getroffen hätte. Dies gilt zum Ersten für die Einsetzung der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 als Erben zu je einem Viertel im Wege der „Vollverteilung“. Zwar argumentieren die Beteiligten Ziff. 3 bis 6, der Erblasser habe zu ihnen ein sehr intensives Vater-Kind-Verhältnis gehabt und ihnen im November 2015 die Siegelringe der Familie mit dem Familienwappen geschenkt, um deutlich zu machen, dass sie seine „Stammfamilie“ seien. Die Gegenseite hat hierzu vorgetragen, eine solche „fiktive Stammfamilie“ habe es nie gegeben. Unabhängig davon fehlen jedenfalls ausreichende Belege für die von den Beteiligten Ziff. 3 bis 6 gezogene Schlussfolgerung, der Erblasser hätte auch bei Kenntnis des ungeborenen Kindes zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung das von ihm privatschriftlich errichtete Testament genau so errichtet und weder den ungeborenen Sohn noch seine Ehefrau – die Beteiligte Ziff. 1 – zu Erben eingesetzt. Aus Sicht des Senats ist dies nicht im oben genannten Sinne positiv feststellbar, entgegen der Auffassung der Beteiligten Ziff. 3 bis 7 auch nicht unter Hinweis auf die kurze Zeit zwischen Testamentserrichtung und Kenntnisnahme von der Schwangerschaft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach den Angaben der Beteiligten Ziff. 1 bereits seit August 2015 ein Kind „geplant“ war. Für die Behauptung der Beteiligten Ziff. 3 bis 7, der Erblasser habe die Möglichkeit, erneut Vater zu werden, in seine Willensbildung am 05.12.2015 mit einbezogen und bewusst durch die Erbeinsetzung der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 die Beteiligten Ziff. 1 und 8 ausgeschlossen, fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

Was die Enterbung der Ehefrau anbelangt, hat der Erblasser in seinem privatschriftlichen Testament ausgeführt, es tue ihm leid, dass seine Frau sich immer wieder geweigert habe, im Falle seines Todes sich als Miterbin einsetzen zu lassen. Zwar verweisen die Beteiligten Ziff. 3 bis 6 darauf, der Erblasser habe im Juli 2015 der Beteiligten Ziff. 1 erteilte Vollmachten „schon am 22.11. und 20.12.2015 zurückgenommen“, der Erblasser habe sich von seiner Ehefrau, die er erst am 08.10.2015 geheiratet habe, schon früh wieder „abgewandt“. Eine positive Feststellung, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Empfängnis eines gemeinsamen Kindes die Beteiligte Ziff. 1 als Ehefrau in jedem Fall enterbt hätte, lässt sich aber nicht treffen. Gegen eine solche Annahme spricht im Übrigen nicht nur, dass es der Erblasser in seinem Testament vom 05.12.2015 bedauerte, dass sich seine Ehefrau immer wieder geweigert habe, sich als Miterbin einsetzen zu lassen. Das legt nahe, dass ein unbedingter eigener Wille, die Ehefrau zu enterben, nicht bestand. Auch der Inhalt der Kommunikation zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau – der Beteiligten Ziff. 1 – kurz vor seinem Suizid (Anlage ASt 7, bei Bl. 104 d.A.) spricht gegen die vorgenannte Annahme. Aus ihr lässt sich entnehmen, dass der Erblasser am 22.12.2015 an die Beteiligte Ziff. 1 geschrieben hat, er könne ohne ihre Liebe nicht weiterleben. Dies lässt sich nicht in Einklang mit der Behauptung bringen, der Erblasser habe sich von seiner Frau „abgewandt“. Gleiches gilt für die vom Erblasser gewählte Formulierung in einer weiteren Nachricht an die Beteiligte Ziff. 1 vom selben Tag, dem 22.12.2015 („Wenn Du wirklich willst, dass wir für immer zusammen weiter leben wollen, …“). Daher vermag der Senat die Auffassung des Nachlassgerichts, die wirksame Anfechtung des Testaments durch den Beteiligten Ziff. 8 führe (lediglich) dazu, dass dieser neben seinen eingesetzten Geschwistern Erbe werde (bei bestehen bleibender Enterbung der Beteiligte Ziff. 1), nicht zu teilen. Darüber hinaus kann auch nicht positiv festgestellt werden, dass die vom Erblasser in Bezug auf den Beteiligten Ziff. 2 getroffene Verfügung bei Kenntnis des ungeborenen Kindes genau so getroffen worden wäre. Der Erblasser hat dem Beteiligten Ziff. 2 – seinem nichtehelichen Sohn aus einer frühen Beziehung – „vorab aus der Erbmasse € 20.000,00“ zugewandt, was als Vermächtnis bei gleichzeitiger Enterbung durch die im Übrigen erfolgte Verteilung des Vermögens auf die Beteiligten Ziff. 3 bis 6 zu gleichen Teilen auszulegen ist. Dass der Erblasser in Kenntnis des ungeborenen Kindes und damit der Erweiterung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten dieselbe Verfügung in Bezug auf den Beteiligten Ziff. 2 getroffen hätte, ist zwar möglich, aber nicht positiv feststellbar, letztlich auch nicht, was seine Enterbung anbelangt. Gleiches gilt im Übrigen für die Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch die Beteiligten Ziff. 3 bis 5. Schon angesichts der Möglichkeit, dass der Erblasser bei Kenntnis des gemeinsamen Kindes den Kreis der Erben anders gezogen hätte, kann nicht positiv festgestellt werden, dass die Beteiligten Ziff. 3 bis 5 in jedem Fall zu Testamentsvollstreckern ernannt worden wären.

c)

Nachdem damit das privatschriftliche Testament des Erblassers durch die wirksame Anfechtung in seiner Gesamtheit unwirksam geworden ist und keine weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers vorliegen, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen. Gemäß § 1931 Abs. 1, 3 BGB in Verbindung mit § 1371 Abs. 1 BGB erbt damit die Beteiligte Ziff. 1 mit einem Erbteil von 1/2, die Beteiligten Ziff. 2 bis 6 sowie 8 erben als Abkömmlinge gemäß §§ 1924 Abs. 1, 4 BGB (bezüglich dem Beteiligten Ziff. 8 unter zusätzlicher Heranziehung des § 1923 Abs. 2 BGB) je mit einem Erbteil von 1/12. Diese Erbfolge liegt dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 vom 18.02.2016 zugrunde, wobei der zur Zeit der Antragstellung noch bestehende Schwebezustand (vgl. Leipold in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 1923 BGB, Rdnr. 28 und Grziwotz in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2353 BGB, Rdnr. 10) durch die Geburt des Beteiligten Ziff. 8 am 28.06.2016 beendet worden ist. Die Zurückweisung dieses Erbscheinsantrages war daher aufzuheben, ebenso die Entscheidung des Nachlassgerichts zur Erteilung des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die vom Nachlassgericht ausgesprochene Zurückweisung des Erbscheinsantrages der Beteiligten Ziff. 3 bis 6 hat demgegenüber Bestand.

3.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Auf die Gerichtsgebühr gemäß Nr. 12220 KV GNotKG wird hingewiesen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 61, 40 Abs. 1, 5 GNotKG.

Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG bestehen nicht.
Vorschriften
BGB §§ 2079, 142 FamFG § 59

Die rechtswirksame Teilausschlagung eines Miterben gemäß § 1952 Abs. 3 BGB bei der Mehrheit von Erbeserben bewirkt eine Art Anwachsung

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 13.04.2018 – 10 W 89/17
Bei einer Mehrheit von „Erbeserben“ bewirkt die rechtswirksame Teilausschlagung eines Miterben gemäß § 1952 Abs. 3 BGB eine Art Anwachsung. In entsprechender Anwendung des § 1952 Abs. 2 BGB ist das dann so anzusehen als wenn der Erbe nur von dem nichtausschlagenden Miterben beerbt worden wäre.

Oberlandesgericht Hamm

10 W 89/17

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 30.05.2017 aufgehoben.

Die Tatsachen, die zur Feststellung des Erbscheinantrags der Beteiligten zu 1. vom 24.01.2017 erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 50.000,- € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

1

Gründe :

2

I.

3

Der am xx.xx.1962 geborene und am xx.xx.2015 in Bochum verstorbene Erblasser U hatte ein Kind, die am xx.xx.1999 geborene Beteiligten zu 1. Von der Mutter der Beteiligten zu 1., Frau N1, war der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls rechtskräftig geschieden.

4

Die Eltern des Erblassers U1 und U2 verstarben nach dem Erbfall, sein Vater U1 am xx.xx.2015 und seine Mutter U2 am xx.xx.2016. Beide Elternteile hinterließen kein Testament und wurden im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerbt. Die Eltern des Erblassers hatten neben dem Erblasser noch ein weiteres Kind, die Schwester des Erblassers U3.

5

Der Erblasser verfasste unter dem 04.09.2011 ein privatschriftliches Testament. In diesem setzte er seine Schwester zur alleinigen Erbin ein. Weiter bestimmte er: „Meine Tochter N soll – wenn es rechtlich möglich sein sollte – auch den Pflichtteil erst nach ihrer Volljährigkeit ausgezahlt bekommen“ (vgl. AG Bochum, 20a IV 326/15, Bl. 5). Das Testament wurde vom Nachlassgericht am 15.09.2015 eröffnet.

6

Zum Nachlass des Erblassers gehörten ein 3-Familienhaus in Bochum sowie verschiedene PKW und zahlreiche Verbindlichkeiten. Mit Beschluss vom 23.09.2015 ordnete das Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 2. zum Nachlasspfleger (vgl. AG Bochum 20a 589/15, Bl. 25).

7

Auf Antrag des Beteiligten zu 2. eröffnete das Amtsgericht Bochum zum AZ: 80 IN 931/15 wegen drohender Zahlungsunfähigkeit am 23.12.2015 ein Insolvenzverfahren über den Nachlass (AG Bochum 20a 589/15, Bl. 68).

8

Nach dem Erbfall schlugen die die Schwester des Erblassers sowie ihre beiden Kinder U3a und U3b mit Erklärung vom 08.09.2015 gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft nach dem Erblasser aus allen Berufungsgründen aus (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 3,4 ).

9

Mit Erklärung vom 23.09.2015 gegenüber dem Nachlassgericht schlug die Mutter der Beteiligten zu 1., Frau N1, als deren alleinige Sorgeberechtigte die Erbschaft für die damals noch minderjährige Beteiligte zu 1. aus allen Berufungsgründen aus (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 18). Eine Genehmigung der Ausschlagungserklärung durch das Familiengericht erfolgte in der Folgezeit nicht.

10

Am 21.01.2016 erschienen die Mutter des Erblassers und seine Schwester vor dem Nachlassgericht. Die Mutter U2 schlug die Erbschaft nach ihrem Sohn aus allen Berufungsgründen aus. Beide schlugen als gesetzliche Erben des am xx.xx.2015 verstorbenen U1 für diesen die Erbschaft nach dem Erblasser aus (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 26).

11

Mit Erklärung vom 02.02.2016 gegenüber dem Nachlassgericht schlug die Mutter der Beteiligten zu 1., Frau N1, für ihre Tochter als deren alleinige Sorgeberechtigte den Erbteil des Erblassers im Nachlass des U1 aus allen Berufungsgründen aus (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 34). Auch eine Genehmigung dieser Ausschlagungserklärung durch das Familiengericht erfolgte in der Folgezeit nicht.

12

Nach Durchführung des Insolvenzverfahrens stellte sich heraus, dass alle Nachlassverbindlichkeiten und Verfahrenskosten vollständig befriedigt werden konnten und darüber hinaus zu Gunsten der noch unbekannten Erben ein Überschuss im Nachlass verbleibt (vgl. Sachstandsmitteilung des Insolvenz-verwalters vom 14.11.2016, AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl.127, 128). Zur Zeit soll ein Betrag von 47.196,09 € für die noch unbekannten Erben beim Amtsgericht Bochum hinterlegt sein (vgl. Bl. 69 d.A.).

13

Im November 2016 nahm die Kindesmutter ihre Anträge auf Genehmigung der Ausschlagungserklärungen gegenüber dem Familiengericht zurück. Am 12.01.2017 erklärte die Mutter der Beteiligten zu 1. , N1, als deren alleinige Sorgeberechtigte für die damals noch minderjährige Beteiligte zu 1. gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung der Ausschlagungserklärungen vom 23.09.2015 und 02.02.2016. Sie begründete dies damit, dass ihr bisher nicht bewusst gewesen sei, dass der Nachlass des Erblassers nicht überschuldet sei und ihr dies erst im November 2016 bekannt geworden sei (vgl. AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 40).

14

Am 24.01.2017 hat die Mutter der Beteiligten zu 1., Frau N1, als alleinige Sorgeberechtigte der damals noch minderjährigen Beteiligte zu 1. einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin nach ihrem Vater ausweist (Bl. 2 ff d.A.).

15

Mit Beschluss vom 30.05.2017 hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligte zu 1. sei nicht Erbin nach dem Erblasser geworden. Die Auslegung des Testaments vom 04.09.2011 ergebe den Willen des Erblassers, seine Tochter unabhängig von der zuvor erfolgten Erbeinsetzung seiner Schwester zu enterben. Wegen der weiteren Begründung wird auf die angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 41 ff d.A.).

16

Hiergegen hat die Beteiligte zu 1. form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

17

Sie vertritt unter Aufrechterhaltung ihres Erbscheinsantrags weiter die Auffassung, dass dem vorliegenden Testament kein Wille des Erblassers, sie auch von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, zu entnehmen sei. Auf die Beschwerdeschrift vom 06.06.2017 wird Bezug genommen (Bl. 50 ff d.A.).

18

Mit Beschluss vom 09.06.2017 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

19

Die Akten des Amtsgerichts Bochum – 20 a IV 326/15, 20a VI 565/15, 20a VI 589/15 und 20a VI 352/16 – sind zu Informationszwecken beigezogen worden.

20

II.

21

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist gem. §§ 58 ff FamFG zulässig und in der Sache begründet. Die Voraussetzungen für den Erbscheinsantrag sind gegeben.

22

Die Beteiligte zu 1. hat den Erblasser allein beerbt. Dementsprechend waren die Tatsachen, die zur Feststellung des Erbscheinantrags vom 24.01.2017 erforderlich sind, für festgestellt zu erachten, § 352 e I FamFG.

23

1.

24

Die Erbfolge nach dem Erblasser folgt nicht aus seinem privatschriftlichen Testament vom 04.09.2011. Die in diesem Testament als Alleinerbin eingesetzte Schwester U3 hat den Erblasser nicht beerbt, weil sie mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 08.09.2015 die Erbschaft aus allen Berufungsgründen rechtswirksam gem. §§ 1944 ff BGB ausgeschlagen hat. Damit gilt der Anfall der Erbschaft gem. § 1953 I BGB als nicht erfolgt. Auch ist die Erbschaft nicht ihren Abkömmlingen als mögliche testamentarische Ersatzerben angefallen, weil auch die Kinder der Schwester des Erblassers, U3a und U3b, am selben Tag die Erbausschlagung rechtswirksam aus allen Berufungsgründen gegenüber dem Nachlassgericht erklärt haben (vgl. AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 3,4 ).

25

2.

26

Die Erbfolge nach dem Erblasser bestimmt sich nach den Grundsätzen der gesetzlichen Erbfolge. Danach ist die Beteiligte zu 1. Alleinerbin des Erblassers geworden.

27

a)

28

Es spricht bereits viel dafür, dass die Beteiligte zu 1. ihren Vater als einziges Kind gem. § 1924 I BGB (gesetzliche Erbfolge I. Ordnung) allein beerbt hat.

29

Dem steht nicht entgegen, dass die Mutter der damals noch minderjährigen Beteiligten zu 1. für diese am 23.09.2015 gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft nach dem Erblasser aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen hat. Diese Erklärung der zum damaligen Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Frau N1 bedurfte gem. §§ 1629 I 3, 1643 II 1 BGB für ihre Wirksamkeit der Genehmigung durch das Familiengericht, die in der Folgezeit nicht erfolgt ist. Der beim Familiengericht gestellte Antrag auf Genehmigung ist im November 2016 zurückgenommen worden. Die Beteiligte zu 1. hat die Ausschlagungserklärung auch nach Eintritt in die Volljährigkeit nicht selbst genehmigt, §§ 1645 III, 1829 III BGB. Vielmehr hat sie den von ihrer Mutter für sie gestellten Erbscheinsantrag vom 24.01.2017 weiter verfolgt, mit der Folge, dass die Ausschlagungserklärung nicht rechtswirksam geworden ist.

30

Eine Erbfolge des Beteiligten zu 1. gem. § 1924 I BGB ist – wie das Nachlassgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat – nur dann ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Beteiligte zu 1. durch sein Testament vom 04.09.2011 rechtswirksam enterbt hat. Eine solche Enterbung könnte in dem 2. Satz des o.g. Testaments gesehen werden, wonach seine „Tochter U – wenn es rechtlich möglich sein sollte – auch den Pflichtteil erst nach ihrer Volljährigkeit ausgezahlt bekommen“ sollte (AG Bochum, 20a IV 326/15, Bl. 5). Allerdings erscheint es fraglich, ob der Erblasser mit dieser Bestimmung seine Tochter nicht nur für den im Testament vorgesehenen Fall, dass seine Schwester ihn allein beerbt, enterben wollte, sondern auch dann, wenn – wie hier – infolge von Erbausschlagungen die gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommt. Die Beantwortung dieser Frage kann aber letztendlich dahinstehen, weil die Beteiligte zu 1. auch dann Alleinerbin des Erblassers geworden ist, falls das o.g. Testament so zu verstehen ist, dass ihr Vater sie auch in diesem Fall enterben wollte.

31

b)

32

Die Beteiligte zu 1. ist auch dann Alleinerbin ihres Vaters geworden, wenn die o.g. Anordnung im Testament so zu verstehen ist, dass sie als gesetzliche Erbin ihres Vaters gem. § 1924 I BGB umfassend enterbt sein sollte. Denn in diesem Fall hat sie ihren Vater als Erbin ihres Großvaters U1 nach der gesetzliche Erbfolge II. Ordnung, § 1925 BGB, allein beerbt.

33

Neben der Beteiligten zu 1. gibt es keine weiteren gesetzliche Erben I. Ordnung und auch keine gem. § 1931 BGB erbberechtigte Ehefrau. Damit richtet sich die Erbfolge dann nach § 1925 BGB. Gesetzliche Erben der II. Ordnung waren die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch lebenden Eltern des Erblassers, U1 und U2.

34

aa)

35

Die Mutter U2 scheidet als Erbin ihres Sohnes gem. § 1953 I BGB aus der Erfolge aus. Sie hat mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 21.01.2016 die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen hat. Diese Erklärung ist gem. §§ 1944 ff BGB rechtswirksam. Insbesondere erfolgte sie innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des § 1944 I BGB. Das Nachlassgericht hat Frau U2 erst mit Schreiben vom 14.01.2016 über eine mögliche gesetzliche Erbfolge aufgrund der zuvor erfolgten Erbausschlagungen informiert (vgl. AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 25 ff).

36

bb)

37

Der Vater U1 ist am xx.xx.2015 verstorben und hat zu Lebzeiten die Erbschaft nach seinem Sohn nicht ausgeschlagen. Da er kein Testament hinterlassen hat, wurde er in gesetzlicher Erbfolge gem. §§ 1924, 1931 BGB von seiner Ehefrau zu einem Erbanteil von ½, seiner Tochter U3 und seiner Enkelin, der Beteiligten zu 1., zu einem zu einem Erbanteil von jeweils ¼ beerbt (vgl. AG Bochum 20a VI 565/15, Bl. 30).

38

Das Recht zur Erbausschlagung ist vererblich, § 1952 I. Damit konnte es gem. § 1952 III BGB von jedem seiner Miterben seinem Erbteil entsprechend ausgeübt werden. Das Nachlassgericht hat Frau U2 mit Schreiben vom 14.01.2016 über eine mögliche gesetzliche Erbfolge des nachverstorbenen Ehemannes informiert (vgl. AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 25 ff). Mit Erklärung vom 21.01.2016 hat Frau U2 die ihrem Ehemann angefallene Erbschaft innerhalb der Frist des § 1944 I BGB rechtswirksam ausgeschlagen (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 26 Rs). Die weitere Miterbin U3 hat bereits mit Erklärung vom 08.09.2015 gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft nach dem Erblasser aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 3, 4). Zusätzlich hat sie am 21.01.2016 auch die ihrem Vater angefallene Erbschaft ausdrücklich ausgeschlagen (AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 26 Rs).

39

Damit sind diese beiden Miterbinnen des U1 aus der Erfolge nach dem Erblasser U gem. §§ 1952 III, 1953 I BGB ausgeschieden. Es verbleibt als weitere Miterbin des U1 nur noch die Beteiligte zu 1., die als einzige den Erbanteil nach ihrem Großvater nicht rechtswirksam ausgeschlagen hat.

40

Dem steht nicht die von ihrer Mutter, Frau N1, am 02.02.2016 gegenüber dem Nachlassgericht abgegebene Erklärung entgegen. Zwar hat die Frau N1 im Namen ihrer Tochter die Erbschaft als Miterbin nach U1 aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen (vgl. AG Bochum, 20a VI 565/15, Bl. 34). Diese Erklärung der zum damaligen Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Mutter der Beteiligten zu 1. bedurfte aber gem. §§ 1629 I 2, 1643 II 1 BGB für ihre Wirksamkeit noch der Genehmigung durch das Familiengericht. Eine solche Genehmigung ist in der Folgezeit nicht erfolgt. Der beim Familiengericht gestellte Antrag auf Genehmigung ist im November 2016 zurückgenommen worden. Die Beteiligte zu 1. hat die Ausschlagungserklärung auch nicht nach Eintritt in die Volljährigkeit genehmigt, § 1829 III BGB, sondern den von ihrer Mutter für sie gestellten Erbscheinsantrag vom 24.01.2017 weiter verfolgt. Auf die am 12.01.2017 zusätzlich von der Mutter der Beteiligten zu 1. erklärte Anfechtung der bereits rechtsunwirksamen Ausschlagungserklärung kommt es deshalb nicht mehr an.

41

Die Beteiligte zu 1. hat den Erblasser als gesetzliche Erbin des nachverstorbenen U1gem. § 1925 I BGB allein beerbt. Die ausgeschlagenen Erbanteile der übrigen Miterbinnen nach U1 sind nach deren rechtswirksamen Teilausschlagungen gem. § 1952 III BGB der Beteiligte zu 1. angewachsen, mit der Folge, dass sie nunmehr alleinige gesetzliche Erbin ihres Vaters geworden ist.

42

Es ist anerkannt, dass die Teilausschlagungen der weiteren Miterbeserben zur Anwachsung ihrer Erbanteile bei dem annehmenden Erbeserben führt (vgl. Bamberger/ Roth- Siegmann/Höger, 3. Aufl., § 1952 BGB Rz. 7; Juris-PK-Hönninger, 8.Aufl., § 1952 BGB Rz. 4; MünchKomm-Leipold, 7.Aufl., § 1952 BGB Rz. 17 m.w.N.). Danach ist der Erblasser hier gem. § 1925 I BGB von der Beteiligten zu 1. allein beerbt worden, die als einzige Miterbin nach ihrem Großvater den Erbteil nicht gem. § 1952 III BGB ausgeschlagen hat.

43

III.

44

Eine Kostenerstattung hinsichtlich der entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten war nicht anzuordnen. Dem Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin hat kein Beteiligter widersprochen. Auch entspricht es im vorliegenden Erbscheinsverfahren nicht billigem Ermessen, die Kosten des Antragstellers einem anderen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, § 81 I 1 FamFG.

45

Der Gegenstandwert ist nach dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin (geschätzter Nachlasswert von bis zu 50.000,-€) bemessen worden.

46

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, § 70 II FamFG.
Rechtsgebiet
BGB
Vorschriften
BGB § 1944; BGB § 1952

Vorfälligkeitsentschädigungen sind als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen

Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.04.2018 – 3 K 3662/16 Erb
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 3662/16 Erb

Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 01.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2016 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

1

T a t b e s t a n d

2

Streitig ist, ob Vorfälligkeitsentschädigungen, welche im Rahmen einer Nachlasspfleg-schaft für die vorzeitige Ablösung von Darlehen angefallen sind, als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen sind.

3

Am 00.00.2013 verstarb Frau R.

4

Da ihre Erben nicht bekannt waren und sicherungsbedürftiger Nachlass vorlag, ordnete das Amtsgericht A mit Beschluss vom 00.00.2013 Nachlasspflegschaft an. Zur Nachlasspflegerin wurde Frau Rechtsanwältin C bestellt, wobei der Wirkungskreis die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben umfasste.

5

Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 00.00.2013 wurde zudem Herr E als Verfahrenspfleger bestellt, wobei als Gegenstand des Verfahrens die Vertretung der unbekannten Erben im Verfahren über die Erteilung einer nachlassgerichtlichen Genehmigung unter anderem zur „evtl. Veräußerung des in den Grundbüchern des Amtsgerichts A von G Blatt 1, Blatt 2 und Blatt 3 eingetragenen Grundbesitzes der Erblasserin“ angegeben war (Bl. 21 der beigezogenen Nachlassakte).

6

Zum Nachlass gehörten unter anderem die bebauten Grundstücke „A-Straße 1“ (Grundbuch von G, Blatt 3, Flur , Flurstück 1), „ A-Straße 2“ (Grundbuch von G, Blatt 3, Flur , Flurstück 2), „ A-Straße 3“ (Grundbuch von G, Blatt 1, Flur , Flurstücke 3 und 4) und „ B-Straße 4“ (Grundbuch von G, Blatt 2, Flur , Flurstück 5).

7

Die Erblasserin hatte für die Immobilien „A-Straße 1“, „ A-Straße 2“ und „ A-Straße 3“ Darlehen aufgenommen, die zum Todeszeitpunkt in folgender Höhe valutierten:

8

Kontonummer Stand (in EUR) Zuordnung
000000001 X A-Straße 1
000000002 X A-Straße 1
000000003 X A-Straße 2
000000004 X A-Straße 2
000000005 X A-Straße 2
000000006 X A-Straße 2
000000007 X A-Straße 3
Summe X

9

In ihrem an das Nachlassgericht gerichteten Erstbericht vom 29.08.2013 führte die Nachlasspflegerin unter anderem aus, dass sie am 26.07.2013 zusammen mit einem Immobilien-Sachverständigen die vier Häuser zwecks Erstellung von Verkehrswertgutachten besichtigt habe, da zwischenzeitlich mehrere Interessenten ein Kaufinteresse bekundet hätten. Mit Zwischenbericht vom 06.12.2013 teilte die Nachlasspflegerin dem Nachlassgericht mit, dass bislang keine Erben hätten ermittelt werden können und daher ein Erbenermittler mit der Ermittlung beauftragt worden sei. Zudem überreichte sie Wertgutachten zu den vier Nachlassgrundstücken mit dem Hinweis, dass alle Häuser verkauft werden sollten.

10

Die Nachlasspflegerin veräußerte die zum Nachlass gehörenden Grundstücke mit notariellen Verträgen vom 29.01.2014 ( B-Straße 4, Kaufpreis: 140.000 EUR), 31.01.2014 ( A-Straße 2, Kaufpreis: 198.000 EUR), 20.02.2014 (A-Straße 1, Kaufpreis: 140.000 EUR) und 27.02.2014 ( A-Straße 3, Kaufpreis 155.000 EUR). Nach Anhörung des Verfahrenspflegers genehmigte das Nachlassgericht die Kaufverträge.

11

Die Nachlasspflegerin löste die bestehenden Darlehen teilweise vorzeitig ab. Dadurch fielen im April 2014 folgende Vorfälligkeitsentschädigungen an:

12

Kontonummer Vorfälligkeitsentschädigung (in EUR) Zuordnung
000000001 X A-Straße 1
000000002 X A-Straße 1
000000004 X A-Straße 2
000000005 X A-Straße 2
000000006 X A-Straße 2
000000007 X A-Straße 3
Summe X

13

Das Amtsgericht A stellte am 00.00.2015 zwei gemeinschaftliche Teil-Erbscheine aus. Danach wurde die Erblasserin von insgesamt 29 Erben beerbt. Der Kläger war als Cousin der Erblasserin Erbe zu 1/8-Anteil. Daraufhin hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft am 00.00.2015 auf.

14

Nach Einreichung einer Erbschaftsteuererklärung setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 01.08.2016 Erbschaftsteuer in Höhe von X EUR fest.

15

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, dass aufgrund der – ohne Rücksprache mit den Erben erfolgten – Grundstücksveräußerungen Darlehen vorzeitig zurückgezahlt worden seien. Die dadurch angefallenen Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von insgesamt X EUR seien gemäß § 10 Abs. 6 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) im Umfang von 90 Prozent – also in Höhe von X EUR – als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

16

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2016 unter Verweis auf das Urteil des FG Köln vom 05.02.2009 9 K 204/07 als unbegründet zurück. Die geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen seien als Kosten für die Verwaltung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.

17

Mit der dagegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass allein die Nachlasspflegerin entschieden habe, die Grundstücke zu veräußern und die darauf lastenden Nachlassverbindlichkeiten abzulösen. Nach der von dem Beklagten zitierten Entscheidung des FG Köln könne eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht als sonstige Verbindlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG berücksichtigt werden, wenn nicht feststellbar sei, dass die vorzeitige Ablösung dem erkennbaren zumindest mutmaßlichen Erblasserwillen entsprochen habe. Im Streitfall könne zwar der Wille der Erblasserin mangels Testaments nicht ermittelt werden. Da allerdings eine Nachlasspflegerin bestellt worden sei, werde der Erblasserwillen durch ihren Willen repräsentiert. Da die Nachlasspflegerin über die vorzeitige Ablösung entschieden habe, habe dieses Vorgehen daher auch dem Erblasserwillen entsprochen. Wertungsmäßig sei dies so zu beurteilen, als ob die Erblasserin per Testament bestimmt hätte, dass sämtliche Immobilien zu verkaufen und die darauf lastenden Verbindlichkeiten abzulösen seien. Dem Willen der Erben habe dieses Vorgehen jedenfalls nicht entsprochen.

18

Von den abzugsfähigen Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von X EUR entfiel auf ihn, den Kläger, – entsprechend seinem Erbanteil – ein Anteil von 1/8, mithin X EUR.

19

Der Kläger beantragt,

20

den Erbschaftsteuerbescheid vom 01.08.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2016 dahingehend zu ändern, dass die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten um einen Betrag von X EUR erhöht werden.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen,

23

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

24

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und macht ergänzend geltend, dass es entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich sei, dass die Nachlasspflegerin über die vorzeitige Ablösung der Darlehen entschieden habe.

25

Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Nachlasspflegerin mit Schriftsatz vom 09.04.2018 ausgeführt, dass die Immobilien der Erblasserin mit Darlehen in nicht unerheblicher Höhe belastet gewesen seien und damit laufende Kosten in der Form von Tilgungs- und Zinszahlungen verursacht hätten. Das Einfamilienhaus sei veräußert worden, da es nicht wirtschaftlich sinnvoll habe genutzt werden können und ein Versicherungsschutz bei Leerstand nicht mehr gegeben gewesen sei. Die drei Mietshäuser habe sie veräußert, weil auch hier eine wirtschaftliche Verwaltung nicht möglich gewesen sei und mit der Ermittlung der Erben in absehbarer Zeit nicht habe gerechnet werden können. Eine Verwaltung der Mietshäuser hätte den zeitlichen und kostenrechtlichen Rahmen der Nachlasspflegschaft gesprengt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme der Nachlasspflegerin Bezug genommen.

26

Das Gericht hat die Nachlassakten des Amtsgerichts A (Az. /13) beigezogen.

27

Der Senat hat die Sache am 12.04.2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

28

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

29

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Vorfälligkeitsentschädigungen zu Unrecht nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt.

30

I. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind als sonstige Nachlassverbindlichkeiten unter anderem die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, abzugsfähig.

31

1. Gemeinsam ist diesen Aufwendungen, dass sie erst nach dem Erbfall entstehen. Das Gesetz sieht insofern eine Ausnahme von dem ansonsten im Erbschaftsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzip vor. Abzugsfähig sind die Aufwendungen allerdings nur, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit den genannten Maßnahmen festgestellt werden kann (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 04.10.1991 III 210/89, EFG 1992, 141; Fumi in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § 10 Rn. 71; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rn. 192, 218). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang erforderlich (BFH-Urteil vom 19.06.2013 II R 20/12, BFHE 241, 416, BStBl II 2013, 738, Rn. 11).

32

Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasst nicht nur die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses, sondern auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH-Urteil vom 11.01.1961 II 155/59 U, BFHE 72, 273, Rn. 3). Auch Kosten, die durch die Tilgung von Erblasserschulden oder durch die Erfüllung von Erbfallschulden unmittelbar erwachsen, sind abzugsfähig (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rn. 213). Zu den Kosten der Regelung des Nachlasses gehören ferner die Kosten der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses. Auch Kosten, die für die Vergütung eines Nachlasspflegers entstehen, sind abzugsfähig. Erfasst sind dabei insbesondere Sicherungsmaßnahmen, die bei zunächst unbekannten Erben anfallen (Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 10 Rn. 139).

33

Nach der Rechtsprechung des BFH kann § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG nicht entnommen werden, dass nur die unmittelbar mit der Erfüllung des Erblasserwillens zusammenhängenden und daher nicht auf einem eigenen Willensentschluss des oder der Erben beruhenden Kosten abziehbar sind (BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489, Rn. 15; a. A. FG München, Urteil vom 17.10.2007 4 K 811/05, Rn. 11, juris; offenlassend FG Köln, Urteil vom 05.02.2009 9 K 204/07, Rn. 42, juris).

34

Zu den Kosten für die Verteilung des Nachlasses gehören insbesondere die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gemäß § 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) (BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489, Rn. 10 ff.).

35

2. Die vorstehenden Aufwendungen sind abzugrenzen von den Kosten für die Verwaltung des Nachlasses, welche nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig sind. Zur Verwaltung gehören alle Maßnahmen, durch die der Nachlass erhalten, genutzt oder vermehrt wird (Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, § 10 Rn. 82).

36

Nach einer Entscheidung des FG Köln ist auch eine Vorfälligkeitsentschädigung, welche für die vorzeitige Ablösung von Darlehen im Rahmen der Auseinandersetzung einer zwischen zwei Miterben bestehenden Erbengemeinschaft gezahlt wird, nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig (FG Köln, Urteil vom 05.02.2009 9 K 204/07, juris).

37

Ferner sind Kosten der Nachlassverwertung grundsätzlich nicht abzugsfähig. Etwas anderes gilt allerdings für die Versilberung des Nachlasses zum Zweck der Erbauseinandersetzung in den Fällen der § 2042 Abs. 2 BGB i. V. m. § 753 BGB und § 2046 Abs. 3 BGB sowie für Verwertungshandlungen, die zum Vollzug letztwilliger Anordnungen des Erblassers erforderlich sind (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rn. 217; BFH-Urteil vom 28.06.1995 II R 89/92, BFHE 178, 214, BStBl II 1995, 786, Rn. 12 zu Aufwendungen bei der Veräußerung eines Wertpapierdepots zur Erfüllung eines Vermächtnisses).

38

3. Nach diesen Grundsätzen stellen die im Rahmen der Nachlasspflegschaft angefallenen Vorfälligkeitsentschädigungen Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG dar.

39

a) Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Dabei kann das Nachlassgericht für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Nachlasspfleger bestellen (§ 1960 Abs. 2 BGB). Der Nachlasspfleger ist damit ein Mittel der Nachlasssicherung durch das Nachlassgericht (Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, C. III. Die Nachlasspflegschaft, Rn. 1). Die Bestellung eines Nachlasspflegers dient ausschließlich der Vertretung der Erben zur Wahrung ihrer Interessen, nicht – wie bei einem Testamentsvollstrecker – der Ausführung des letzten Willens des Erblassers. Im Rahmen der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses ist er gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben (Weidlich in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1960 Rn. 11).

40

Der durch das Nachlassgericht festzulegende Wirkungskreis kann – abhängig von den Bedürfnissen des Einzelfalls – weit gezogen sein oder auf einzelne Angelegenheiten beschränkt sein (Weidlich in Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 1960 Rn. 10). In der Regel wird der Nachlasspfleger zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben bestellt (Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, C. III. Die Nachlasspflegschaft, Rn. 3). Eine Verwertung von Immobilien kann in Betracht kommen, wenn dies zur Schuldentilgung erforderlich ist (OLG München, Beschluss vom 07.01.2010 31 Wx 154/09, Rn. 4, juris) oder wenn mit einem Ergebnis der Erbenermittlung nicht in Kürze zu rechnen ist und die Kosten der Grundstücksverwaltung höher sind als eine verzinste Anlage des Kaufpreiserlöses zzgl. eventuell zu erwartender Wertsteigerungen der Immobilie (Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, III. Die Nachlasspflegschaft, Rn. 58).

41

b) Wenn nach der Rechtsprechung des BFH der weit auszulegende Begriff der Nachlassregelungskosten alle Kosten umfasst, die – wie z. B. bei der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses – aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen, so können auch Aufwendungen für Maßnahmen eines Nachlasspflegers als Nachlassregelungskosten anzusehen sein. Die Hauptaufgabe eines Nachlasspflegers besteht nach § 1960 BGB darin, die Erben zu ermitteln und bis dahin den Nachlass zu sichern. Im Ergebnis ist die Anordnung einer Nachlasspflegschaft damit eine Maßnahme, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Demnach sind auch die hier streitbefangenen Vorfälligkeitsentschädigungen als Nachlassregelungskosten abzugsfähig. Sie sind – zeitlich vor der Ermittlung der Erben – angefallen, weil die Nachlasspflegerin die Nachlassgrundstücke veräußert und in der Folge die mit diesen Immobilien in Verbindung stehenden Darlehen vorzeitig abgelöst hat. Für dieses Vorgehen hat sich die Nachlasspflegerin entschieden, da nach ihrer Einschätzung eine wirtschaftliche Verwaltung der Grundstücke – insbesondere auch wegen der Zins- und Tilgungszahlungen – nicht möglich war und nicht feststand, ob und ggf. wie viele Erben ermittelt würden. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist damit darauf zurückzuführen, dass der Nachlass über einen längeren Zeitraum nicht an die Erben herausgegeben werden konnte und daher der Sicherung bedurfte.

42

Da nach der Rechtsprechung des BFH auch Kosten, die auf einem eigenen Willensentschluss der Erben beruhen, abziehbar sein können, steht einem Abzug auch nicht entgegen, dass die Nachlasspflegerin nicht die Interessen der Erblasserin, sondern ausschließlich die der Erben zu vertreten hat.

43

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Entschädigungszahlungen anlässlich der Tilgung von Darlehen, welche bereits die Erblasserin aufgenommen hat, angefallen sind. Aufwendungen für die Tilgung von Erblasserschulden sind – nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen – als Nachlassregelungskosten abzugsfähig. Dabei ist unerheblich, dass die Vorfälligkeitsentschädigungen nur wegen der vorzeitigen Ablösung der Darlehen angefallen sind. Denn die vorzeitige Tilgung war – wie bereits ausgeführt – eine Maßnahme zur Sicherung des Nachlasses.

44

Zudem stehen die Vorfälligkeitsentschädigungen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Abwicklung bzw. Verteilung des Nachlasses. Denn angesichts des Umstandes, dass die Erben zunächst nicht bekannt waren und letztendlich 29 Erben ermittelt wurden, wäre die Herausgabe von vier mit Darlehen belasteten Nachlassgrundstücken nicht praktikabel gewesen. Auch wenn die eigentliche Erbauseinandersetzung nicht Aufgabe des Nachlasspflegers ist, so hat er jedenfalls das verwaltete Vermögen nach Beendigung der Nachlasspflegschaft an die Erben herauszugeben (Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, C. III. Die Nachlasspflegschaft, Rn. 113).

45

Im Übrigen wären die Vorfälligkeitsentschädigungen auch dann abzugsfähig gewesen, wenn nicht die Nachlasspflegerin, sondern nach Beendigung der Nachlasspflegschaft die 29 Miterben die Darlehen im Rahmen der Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft vorzeitig abgelöst hätten. Es ist anerkannt, dass Kosten für die Verwertung von Nachlassgegenständen zum Zweck der Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 Abs. 3 BGB) abzugsfähig sind. Soweit das FG Köln in seinem Urteil vom 05.02.2009 9 K 204/07 unter Verweis auf § 2046 Abs. 1 Satz 2 BGB die Auffassung vertritt, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung deshalb nicht abzugsfähig sei, weil die vorzeitige Ablösung von Kreditverträgen zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nicht erforderlich sei, so kann dem jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. § 2046 BGB enthält nachgiebiges Recht (Löhnig in Staudinger, BGB, § 2046, Rn. 3). Es stünde den Miterben daher frei, auch noch nicht fällige Nachlassverbindlichkeiten vorzeitig zu berichtigen. Jedenfalls wenn sachliche Gründe – wie hier die Anzahl der Miterben – für eine vorzeitige Ablösung sprechen, sind die mit der Ablösung verbundenen Kosten als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist nicht zu prüfen, ob der Erbe die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Verpflichtungen auf andere, weniger Kosten verursachende Weise nachzukommen (BFH-Urteil vom 28.06.1995 II R 89/92, BFHE 178, 214, BStBl II 1995, 786, Rn. 15 zur Erfüllung eines Vermächtnisses).

46

Wenn demnach eine im Rahmen der Auseinandersetzung angefallene Vorfälligkeitsentschädigung abzugsfähig gewesen wäre, so muss dies auch für eine vorzeitige Ablösung im Rahmen einer zeitlich vorgelagerten Nachlasspflegschaft gelten. Hierfür spricht neben dem zeitlichen Moment der Umstand, dass die Nachlasspflegerin als gesetzliche Vertreterin der Erben handelt.

47

Schließlich ist im Streitfall auch ein zeitlicher Zusammenhang zu bejahen. Die Nachlasspflegerin hat bereits im Monat 2013 und damit drei Monate nach dem Versterben der Erblasserin dem Nachlassgericht mitgeteilt, dass es Kaufinteressenten für die Grundstücke gebe und daher ein Verkehrswertgutachten erstellt werden solle. Zudem wurde bereits im Monat 2013 ein Verfahrenspfleger unter anderem für die nachlassgerichtliche Genehmigung der Veräußerung der Nachlassgrundstücke bestellt. Hieraus ergibt sich, dass der Verkauf und damit mittelbar auch die Ablösung der Darlehen von vornherein geplant waren.

48

4. Einem Abzug steht auch nicht entgegen, dass durch eine Vorfälligkeitsentschädigung wirtschaftlich der dem Darlehensgeber entgehende Zinsgewinn ausgeglichen werden soll (so aber FG Köln, Urteil vom 05.02.2009 9 K 204/07, Rn. 46, juris). Es ist zwar zutreffend, dass Vorfälligkeitsentschädigungen als Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital und daher ertragsteuerlich als Schuldzinsen anzusehen sind (BFH-Urteil vom 11.02.2014 IX R 42/13, BFHE 2, 131, BStBl II 2015, 633, Rn. 8). Auch ist anerkannt, dass Erben zukünftige Aufwendungen aus Dauerschuldverhältnissen, welche bereits der Erblasser abgeschlossen hat und welche durch den Tod nicht erloschen sind, grundsätzlich nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen können, weil in der Regel eine gleichwertige Gegenleistung gegenüber steht. Ein Abzug ist aber möglich, wenn der Erbe kein Interesse an der Gegenleistung hat oder sie für ihn keinen wirtschaftlichen Wert hat (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rn. 128). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Nachlasspflegerin als gesetzliche Vertreterin der Erben zu dem Schluss gekommen ist, dass eine wirtschaftliche Verwaltung der Immobilien auch unter Berücksichtigung der Darlehensverbindlichkeiten nicht möglich und daher nur noch ein Verkauf sinnvoll ist. Da die Darlehen für die Immobilien aufgenommen worden waren, ergibt sich hieraus, dass die Erben spätestens mit der Veräußerung der Immobilien kein Interesse mehr an der Nutzung des überlassenen Kapitals hatten. Unabhängig hiervon ist zu berücksichtigen, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung zwar ein Surrogat für den entgehenden Zinsgewinn ist. Anders als Zinszahlungen steht der Vorfälligkeitsentschädigung allerdings keine den Erben zustehende Gegenleistung gegenüber. In den Genuss der – durch die Vorfälligkeitsentschädigung ausgeglichenen – günstigeren Darlehenskonditionen ist allein die Erblasserin gekommen.

49

5. Von den insgesamt angefallenen Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von X EUR können gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nur 90 % – mithin X EUR – abgezogen werden. Davon entfällt auf den Kläger – entsprechend seinem Erbanteil – ein Anteil von 1/8, mithin X EUR.

50

II. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und im Hinblick auf das Urteil des FG Köln vom 05.02.2009 9 K 204/07 zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

51

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Rechtsgebiet
ErbStG 1974
Vorschriften
§ 10 ErbStG 1974

Teileigentumsgrundbuchsache

Quelle: 26.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200333

Oberlandesgericht München: Beschluss vom 11.01.2017 – 34 Wx 201/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

In der Teileigentumsgrundbuchsache
Beteiligter:

– Beschwerdeführer –
wegen Grundbuchberichtigung (Eintragung der Erbfolge)
erlässt das Oberlandesgericht München – 34. Zivilsenat – durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Sprickmann Kerkerinck, den Richter am Oberlandesgericht Kramer und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwegler am 11. Januar 2018 folgenden
Beschluss
Tenor:

Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck – Grundbuchamt – vom 30. März 2017 aufgehoben.
Gründe

I.

Im Grundbuch ist noch der am 7.9.2016 verstorbene Erblasser Hans Bernhard K. als Eigentümer von 8/80 Bruchteilen an einem mit dem Sondereigentum an einer Tiefgarage verbundenen Miteigentumsanteil eingetragen.

Dessen Ehefrau Rosemarie Birgit K. beantragte beim Grundbuchamt unter Bezugnahme auf ein an das Nachlassgericht gerichtetes und von dort an das Grundbuchamt gemäß § 83 GBO zur Kenntnisnahme übersandtes Schreiben vom 16.10.2016, in dem die Annahme der Erbschaft sowie die Entbehrlichkeit eines Erbscheins erklärt wurden, die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung ihrer Person unter Bezugnahme auf die beim gleichen Amtsgericht geführte Nachlassakte.

Die von der Rechtspflegerin des Grundbuchamts eingesehene Nachlassakte enthält die Eröffnungsniederschrift vom 11.10.2016 und zwei in diesem Termin eröffneten letztwilligen Verfügungen, nämlich:

– den notariellen Erbvertrag zwischen den Eheleuten vom 5.1.1977, in dem sich beide gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, vertragsmäßig (Ziff. VII.) zum alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzten (Ziff. I.) und zu Erben des Längstlebenden die gemeinsamen Kinder bestimmt wurden (Ziff. III.). Nach dem Tod des Letztversterbenden ist Testamentsvollstreckung angeordnet, die mit Vollendung des 26. Lebensjahres eines namentlich bezeichneten Abkömmlings enden soll (Ziff. IV.).

– das gemeinschaftliche eigenhändige Testament der Eheleute vom 18.3.2014/12.7.2014, in dem bestimmt ist, dass sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und nach dem Ableben beider der Nachlass an die drei gemeinsamen Kinder fallen solle. Darüber hinaus wurde verfügt:

Mein Sohn … (der Beteiligte) soll Testamentsvollstrecker sein nach unserem jeweiligen Ableben.

Unter der augenscheinlich von Hans Bernhard K. handgeschriebenen letztwilligen Verfügung befindet sich der von Rosemarie Birgit K. handschriftlich gesetzte und unterschriebene Zusatz:

Dies soll auch mein letzter Wille sein.

Mit Zwischenverfügung vom 20.2.2017 beanstandete das Grundbuchamt als Eintragungshindernis das Fehlen eines Erbscheins und setzte Frist zur Behebung bis 1.5.2017. Der Ehevertrag sei durch das gemeinschaftliche Testament insoweit aufgehoben, als letzteres im Widerspruch zum Ehevertrag stehe. Dies sei hinsichtlich der für den ersten Sterbefall angeordneten Testamentsvollstreckung der Fall. Weil nach dem Gesetz (§ 52 GBO) die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erbin im Fall der Ernennung eines Testamentsvollstreckers nicht ohne entsprechenden Vermerk erledigt werden dürfe, die Anordnung der Testamentsvollstreckung jedoch nicht aus dem notariellen Ehevertrag hervorgehe, sei zur Grundbuchberichtigung die Vorlage eines die Testamentsvollstreckung verlautbarenden Erbscheins erforderlich.

Hierzu nahm Rosemarie Birgit K. mit Schreiben vom 13.3.2017 – auch im Auftrag ihres Sohnes, des Beteiligten, als Testamentsvollstrecker nach dem ersten Sterbefall – dahingehend Stellung, dass das Amt des Testamentsvollstreckers mit der vollständigen Erledigung aller Aufgaben durch Vollzug der letztwillig verfügten Anordnungen des Erblassers spätestens im Oktober 2016 geendet habe.

Daraufhin erließ das Grundbuchamt am 30.3.2017 eine Zwischenverfügung, mit der als Eintragungshindernis wiederum das Fehlen eines Erbscheins ohne Testamentsvollstreckungsanordnung beanstandet und Gelegenheit zur Behebung durch Vorlage eines entsprechenden Erbscheins bis 1.6.2017 gesetzt wurde. Einer Berichtigung des Grundbuchs ohne Rücksicht auf die im handschriftlichen Testament verfügte Vollstreckungsanordnung stehe das Fehlen eines formgültigen Nachweises darüber entgegen, dass der Grundbesitz nicht oder nicht mehr der Testamentsvollstreckung unterliege.

Hiergegen hat Rosemarie Birgit K. Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 11.5.2017 nicht abgeholfen hat.

Am 19.9.2017 ist Rosemarie Birgit K. verstorben. Hierüber hat der Beteiligte den Senat mit Schreiben vom 7.12.2017, unterzeichnet mit dem Zusatz „i. V.“, unterrichtet. Darin hat er zugleich angezeigt, zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass nach dem Tode seiner Mutter berufen und deshalb vertretungsbefugt zu sein.

Der Senat hat die Nachlassakten nach Hans Bernhard K. und Rosemarie Birgit K. beigezogen. Gemäß Unterheft „Testamentsvollstreckung“ zum Nachlassverfahren nach Rosemarie Birgit K. hat der Beteiligte auf entsprechendes Anschreiben des Nachlassgerichts mit am 28.11.2017 dort eingegangenem Schreiben erklärt, das Amt des Testamentsvollstreckers anzunehmen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und jedenfalls mit Blick auf neue Tatsachen, die in der Beschwerdeinstanz zu berücksichtigen sind, auch begründet. Dies führt zur – ersatzlosen – Aufhebung der Zwischenverfügung.

1. Die Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung vom 30.3.2017 ist von Rosemarie Birgit K. als antragsberechtigter Person in zulässiger Weise eingelegt (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1, § 73 GBO). Zur Ausübung ihrer aus der Erbenstellung folgenden Antragsberechtigung war Rosemarie Birgit K. unabhängig davon befugt, ob das geltend gemachte Eigentumsrecht der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterlegen hat (str.; Hügel/Reetz GBO 3. Aufl. § 13 Rn. 77 und Hügel/Zeiser § 52 Rn. 29).

Die Beschwerde ist auch nicht nachträglich unzulässig geworden. Stirbt ein Antragsberechtigter, nachdem der Antrag mit dem Eingang bei Gericht wirksam geworden ist (vgl. Hügel/Reetz § 13 Rn. 103), so führt dies im Grundbuchverfahren – auch in der Beschwerdeinstanz – nicht zur Erledigung des Antrags (Bauer in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 13 Rn. 98). Vielmehr ist das Verfahren fortzuführen, sofern nicht die Erben den von dem Erblasser gestellten Eintragungsantrag zurücknehmen (OLG Köln FGPrax 2005, 103; Demharter § 13 Rn. 48 und § 71 Rn. 59; Bauer in Bauer/von Oefele § 13 Rn. 106). Letzteres ist jedenfalls bislang nicht geschehen.

Unabhängig von der streitigen Frage, ob im Grundbuchverfahren die zivilprozessualen Regelungen der §§ 239, 246 ZPO analoge Anwendung finden (hierzu: Staudinger/Kunz BGB [2017] § 1922 Rn. 654; Böhringer BWNotZ 2010, 2/7), hindert der Tod der Antragstellerin hier eine Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht. Indem der Beteiligte, nun in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Verstorbenen, das Anliegen zum Ausdruck gebracht hat, dass über den mit seinem Wissen und auch in seinem Auftrag eingelegten „Widerspruch“ möglichst zeitnah entschieden werde, hat er das Verfahren – seine Unterbrechung unterstellt – jedenfalls entsprechend § 239 Abs. 1, §§ 243, 241 ZPO, § 2212 BGB aufgenommen. Dass er dabei zugleich das Beschwerdegericht um Mitteilung über die Erfolgschancen des Berichtigungsantrags gebeten und eine potentielle Antragsrücknahme in den Raum gestellt hat, rechtfertigt keine andere Auslegung seines Begehrens, zumal Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht der Berichtigungsantrag selbst, sondern nur das vom Grundbuchamt laut Zwischenverfügung angenommene Eintragungshindernis ist (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 34 und § 77 Rn. 12 bis 15). Die Unterzeichnung der Eingabe mit dem Zusatz „i. V.“ erklärt sich aus der Annahme einer „Vertretungsbefugnis“ als Testamentsvollstrecker und ändert nichts daran, dass der Testamentsvollstrecker, der – wie hier – ausdrücklich in dieser Funktion tätig wird, nach herrschender Meinung als Partei kraft Amtes handelt (vgl. Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. § 116 Rn. 2; Bengel/Reimann Handbuch der Testamentsvollstreckung 4. Aufl. Kap. 1 Rn. 11 f.) und somit hier als Verfahrensbeteiligter zu führen ist.

Seine auf die Berufung zum Testamentsvollstrecker sowie die gegenüber dem Nachlassgericht abgegebene Annahmeerklärung gestützte Befugnis (vgl. Bengel/Reimann Kap. 3 Rn. 224 und 228 ff.) zur Abgabe einer reinen Verfahrenserklärung in der Beschwerdeinstanz ist mit dem Inhalt der beigezogenen Nachlassakte einschließlich des Unterhefts Testamentsvollstreckung hinreichend nachgewiesen, weil es nicht um eine – gemäß § 35 GBO nachzuweisende – Eintragungsvoraussetzung geht (vgl. auch Demharter § 71 Rn. 62 zum Nachweis der Beschwerdeberechtigung und -befugnis).

2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil das mit der Zwischenverfügung angenommene Eintragungshindernis jedenfalls aufgrund einer gemäß § 74 GBO in der Beschwerdeinstanz zu berücksichtigenden Änderung der Sachlage nicht besteht. Mit dem formulierten Ziel kann der Berichtigungsantrag unabhängig von der Frage der Anordnung sowie der Dauer von Testamentsvollstreckung nach dem ersten Sterbefall keinen Erfolg haben.

a) Gegenstand der Beschwerde ist – wie ausgeführt – nur das vom Grundbuchamt angenommene Hindernis, nicht der erstinstanzlich gestellte Eintragungsantrag selbst.

b) Die Berichtigung des Grundbuchs wegen Versterbens des eingetragenen Berechtigten erfordert gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO, dass nicht nur die Unrichtigkeit des Grundbuchs, sondern auch die Richtigkeit der begehrten Eintragung in der Form der §§ 29, 35 GBO nachgewiesen wird (Demharter § 22 Rn. 37 mit 42 und § 35 Rn. 1), denn das Grundbuch darf nur in der Weise berichtigt werden, dass es den geänderten Rechtszustand insgesamt richtig wiedergibt (Senat vom 22.9.2015, 34 Wx 47/14 = Rpfleger 2016, 146; BayObLG NJW-RR 1995, 272 [BayObLG 09.06.1994 – 2 Z BR 52/94]).

Weil mit dem Versterben der Antragstellerin das Eigentum am Grundstück außerhalb des Grundbuchs auf deren Erben als nunmehr wahre Berechtigte übergegangen ist, § 1922 Abs. 1 BGB, kann ein Berichtigungsbegehren mit dem Ziel der Eintragung der Antragstellerin als Eigentümerin keinen Erfolg haben. Eine solche Eintragung würde das Grundbuch unrichtig machen (vgl. Demharter § 39 Rn. 12). Die mehrfache Rechtsnachfolge außerhalb des Grundbuchs ergibt sich (nur) aus den Eintragungsvermerken in Spalte 4 der ersten Abteilung (Grundlage der Eintragung; vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 272/273). Deshalb kommt es für die Behandlung des Berichtigungsantrags nicht mehr auf die Frage an, ob gemäß § 52 GBO zusammen mit der – nicht mehr erreichbaren – Eigentümereintragung ein Testamentsvollstreckervermerk in das Grundbuch aufzunehmen ist. Die Frage, ob für den ersten Sterbefall Testamentsvollstreckung angeordnet war, ist für die Entscheidung über den Berichtigungsantrag ebenso irrelevant geworden wie die Frage, ob dieses Amt durch Aufgabenerfüllung erloschen ist. Deshalb ist eine Zwischenverfügung, die das Fehlen eines diesbezüglichen Nachweises als Eintragungshindernis moniert, nicht (mehr) zulässig und wegen Entscheidungsreife des Antrags ersatzlos aufzuheben.

Gemäß § 74 GBO ist die veränderte Tatsachenlage bei der Beschwerdeentscheidung zu beachten. Es kommt für die Entscheidung somit nicht darauf an, ob das Grundbuchamt bei Erlass der Zwischenverfügung zutreffend angenommen hat, dass der begehrten Eintragung das angenommene Hindernis entgegenstehe. Kann das Berichtigungsbegehren jedenfalls nach der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bestehenden Sachlage keinen Erfolg haben, so sind die Voraussetzungen für eine Zwischenverfügung nicht (mehr) gegeben.

c) Weil das Grundbuchamt auf die Stellungnahme zur Zwischenverfügung vom 20.2.2017 am 30.3.2017 eine Zwischenverfügung mit abweichendem Inhalt erlassen hat, geht der Senat davon aus, dass mit der angefochtenen Entscheidung die vorausgegangene vom 20.2.2017 aufgehoben und ersetzt wurde. Eine Entscheidung über die – zudem formell nicht angefochtene – Zwischenverfügung vom 20.2.2017 ist daher nicht erforderlich.

III.

Eine Kostenentscheidung ist ebensowenig veranlasst wie eine Festsetzung des Geschäftswerts.
Vorschriften
BGB § 1922 Abs. 1 GBO § 18 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 52 GBO § 22 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 52 ZPO § 239 ZPO § 243 ZPO § 241 ZPO § 246

Zum Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich Finanzierungsleistungen für ein Hausgrundstück als unbenannte Zuwendung unter Ehegatten

Quelle: 27.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200374

Bundesgerichtshof: Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16
BGB § 2325 Abs. 1

Zum Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich Finanzierungsleistungen für ein Hausgrundstück als unbenannte Zuwendung unter Ehegatten.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann und die Richterin Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2018
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Juni 2016 unter Zurückweisung der Revision im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsbegehrens der Kläger in Höhe von jeweils 7.041,63 € nebst Zinsen und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers zu 2 in Höhe von 61,88 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kläger nach dem Tod ihres Vaters. Der Erblasser war mit der Beklagten in zweiter Ehe im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Die Kläger sind seine beiden Söhne aus erster Ehe.

2

Der Vater des Erblassers hatte sich verpflichtet, dem Erblasser eine Teilfläche eines Grundstücks zu übereignen. Auf dieser Teilfläche wurde ein Einfamilienhaus errichtet, zu dessen Finanzierung der Erblasser und die Beklagte ein Bankdarlehen in Höhe von 250.000 DM aufnahmen. Als Kreditsicherheit wurde 1996 am noch ungeteilten Grundstück des Vaters eine Grundschuld bestellt. Mit Übergabevertrag vom 12. Februar 1997 wurde die Löschung der Grundschuld veranlasst, soweit sie auf dem Restgrundstück lastete; außerdem übertrug der Erblasser einen Miteigentumsanteil von 1/2 an dem ihm überlassenen Grundbesitz als im Vertrag so bezeichnete „ehebedingte Zuwendung“ auf die Beklagte. Der Eigentumswechsel wurde im Grundbuch vollzogen, nachdem die Ehegatten in das fertiggestellte Haus eingezogen waren.

3

Durch gemeinschaftliches Testament vom 6. August 2008 setzten sich der Erblasser und die Beklagte gegenseitig als Alleinerben ein. Am 6. Dezember 2009 verstarb der Erblasser. Der zum Zweck des Hausbaus aufgenommene und zwischenzeitlich umgeschuldete Bankkredit valutierte zu diesem Zeitpunkt noch in Höhe von 108.122,30 €. Die Tilgungsleistungen in Gesamthöhe von 19.699,70 € und Zinszahlungen von 112.666,12 € waren von einem Konto des Erblassers erfolgt.

4

Die Kläger, die sowohl die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück als auch die Hälfte der geleisteten Darlehensraten als Schenkungen ansehen, haben gegen die Beklagte als Erbin unter anderem Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht. Das Landgericht hat ihrer Klage, soweit sie die Pflichtteilsergänzungsansprüche betraf, in Höhe von jeweils 17.733,08 € stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil überwiegend aufrechterhalten, dabei aber das Verlangen nach Pflichtteilsergänzung insoweit zurückgewiesen, als es auf dem gesonderten Ansatz der Finanzierungsleistungen beruhte. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist teilweise begründet.

6

I. Das Berufungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Belang – angenommen, bei der Übertragung des hälftigen Miteigentums an dem Hausgrundstück durch den Erblasser auf die Beklagte im Jahr 1997 handele es sich um eine Schenkung. Weder sei die Übertragung des Miteigentumsanteils hier der Erfüllung eines Anspruchs der Beklagten gegenüber dem Erblasser auf Alterssicherung gesch uldet gewesen noch habe sie der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste gedient. Demgegenüber dürften die (hälftigen) Zahlungen des Erblassers zur Finanzierung des Eigenheims für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils nicht herangezogen werden. Dies ergebe sich aus dem Zweck des § 2325 BGB , der sicherstellen solle, dass das Pflichtteilsrecht durch Schenkungen nicht verringert werde, der eine Besserstellung des Pflichtteilsberechtigten aber nicht erreichen wolle. Daher sei nicht der Finanzbeitrag des Erblassers, sondern – allein – die von ihm auf die Ehefrau übergegangene Eigentumshälfte bedeutsam. Der Finanzierungsbeitrag, dessen Wert sich im übertragenen Miteigentumsanteil verkörpere, sei keine zusätzliche, eigenständige Schenkung.

7

Schließlich entspreche es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei der Begleichung von Darlehensverbindlichkeiten nur der Tilgungs-, nicht der Zinsanteil eine Zuwendung zur Vermögensbildung sei. Bei „nicht verbrauchbaren Sachen“, zu denen Grundstücke zählten, sei entsprechend dem Regelfall des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich auf den Erbfallwert abzustellen. Dessen Höhe werde vom Stand der Belastung und dieser wiederum vom Ausmaß der Darlehenstilgung bestimmt. So sei es auch hier, so dass die Tilgungsleistungen pflichtteilsrechtlich bereits berücksichtigt seien.

8

Zudem sei seitens der Kläger nicht vorgebracht worden, der Erblasser habe der Beklagten das Freiwerden von der Verpflichtung gegenüber dem Darlehensgeber ausdrücklich geschenkt bzw. ihr die ihm gegenüber bestehende Ausgleichsschuld aus § 426 BGB ausdrücklich erlassen. Dabei wäre es bei diesem Befund folgerichtig gewesen, etwaige Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte beim ordentlichen, nicht beim Ergänzungspflichtteil zu erwägen.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

10

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings den Klägern aufgrund der erbrachten Tilgungsleistungen auf das Hausdarlehen keinen weiteren Anspruch zuerkannt, der über den als Pflichtteilsergänzung bereits ausgeurteilten Betrag hinausgeht. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung zur Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs den hälftigen Betrag der erbrachten Tilgungsleistungen bereits als Schenkung im Sinne von § 2325 BGB berücksichtigt.

11

Das Berufungsgericht hat den Ergänzungspflichtteil „zum Hausgrundstück“ mit jeweils 5.763,17 € für die beiden Kläger, denen eine Pflichtteilsquote von je 1/8 zukommt, beziffert. Dabei hat es, insoweit dem landgerichtlichen Urteil folgend, einen für die Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigenden Wert des hälftigen Miteigentumsanteils von 46.105,35 € zugrunde gelegt. Dieser Wert ergibt sich daraus, dass vom Erbfallwert des Hausgrundstücks von 200.333 € die zur Zeit des Erbfalles noch valutierende Grundschuld in Höhe von 108.122,30 € abgezogen wurde; der Gesamtwert des Grundstücks belief sich daher auf 92.210,70 €. Da das Hausgrundstück zur Zeit der Schenkung unstreitig einen höheren Wert hatte als beim Erbfall, war nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB der Erbfallwert in Ansatz zu bringen.

12

Der bei dieser Berechnung angesetzte Wert der beim Erbfall noch valutierenden Grundschuld ist jedoch durch die bis dahin erbrachten Tilgungsleistungen gemindert und der Grundstückswert daher in gleichem Umfang erhöht worden. Während die Grundschuld bei der Übereignung des Miteigentumsanteils noch in der im Grundbuch eingetragenen Höhe von 127.822,97 € valutierte, verringerte sich diese Belastung durch die Tilgungsleistungen von 19.699,70 € auf die genannten rund 108.122,30 € und der Wert des belasteten Grundstücks stieg entsprechend. Auf diesem Wege sind die Tilgungsleistungen daher bereits in den fi ktiven Nachlasswert eingeflossen, der nach § 2325 Abs. 1 BGB für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legen ist. Sie können dem Nachlass nicht ein zweites Mal als Schenkung hinzugerechnet werden.

13

2. Dagegen durfte das Berufungsgericht mit der gegebenen Begründung einen Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen der vom Konto des Erblassers geleisteten Zinszahlungen nicht ablehnen.

14

a) Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB setzen voraus, dass der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat, d.h. eine Zuwendung, die den Empfänger aus dem Verm ögen des Gebers bereichert und bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 – IV ZR 249/02 , BGHZ 157, 178 unter II 1 [juris Rn. 13]). Dabei ist die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten einer Schenkung in diesem Sinne auch unabhängig von einer Einigung über ihre Unentgeltlichkeit gleichgestellt (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90 , BGHZ 116, 167 unter II 2 a [juris Rn. 14 ff.]). Eine ergänzungspflichtige Schenkung kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 aaO).

15

aa) Eine solche Bereicherung der Beklagten aus dem Vermögen des Erblassers durch die Zinszahlungen kommt hier in Betracht. Die Beklagte und der Erblasser hafteten für das gemeinsam aufgenommene Darlehen und damit auch für die Zinsen als Gesamtschuldner, §§ 421 , 427 BGB . Mit den Zinszahlungen wurde daher auch eine Schuld der Beklagten erfüllt. Durch diese Verringerung ihrer Verbindlichkeiten wäre deren Vermögen gemehrt worden, falls die vom Konto des Erblassers erfolgten Zahlungen aus dessen Vermögen stammten und nicht durch Leistungen der Beklagten oder den Erwerb eines Anspruchs gegen diese ausgeglichen wurden.

16

Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, auch der Wert der Zinszahlungen zur Finanzierung des Eigenheims verkörpere sich im übertragenen Miteigentumsanteil und die Zahlungen seien deshalb keine zusätzliche, eigenständige Schenkung. Die Belastung der Beklagten durch die gesamtschuldnerische Zinsverbindlichkeit bestand unabhängig davon, welcher Gegenstand mit dem zugrunde liegenden Darlehen finanziert worden war. Die Übertragung des Miteigentumsanteils verringerte diese Vermögensbelastung daher nicht; ebenso wenig flossen die Finanzierungskosten in den Wert des Grundstücks ein. Erst die Zinszahlungen vom Konto des Erblassers führten zu einer Reduzierung der Verbindlichkeiten der Beklagten und damit zu einem möglichen weiteren Vermögenszuwachs neben dem Wert des ihr bereits übereigneten Miteigentumsanteils.

17

Anders als die Revisionserwiderung meint, ist es dabei für die Annahme einer Schenkung ohne Belang, dass der Erblasser die Erbringung der monatlichen Annuitäten aus dem Darlehensvertrag schuldete und damit nicht freiwillig übernahm. Denn diese vertragliche Verpflichtung betraf allein das Außenverhältnis des Erblassers zu den Kreditgebern, nicht aber das hier maßgebliche Innenverhältnis zwischen den Ehegat ten.

18

bb) Die Revisionserwiderung weist insoweit zwar zutreffend darauf hin, dass der Pflichtteilsberechtigte einen Teilhabeanspruch nur insoweit hat, als der Beschenkte „aus dem Vermögen des Schenkers heraus“ bereichert ist, die Bereicherung des Beschenkten also auf einer entsprechenden Entreicherung des Schenkers beruht ( Senatsurteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08 , BGHZ 185, 252 Rn. 26 ). Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist für das Revisionsverfahren zugunsten der Kläger zu unterstellen, dass die Zahlungen vom Konto des Erblassers auch aus dessen Vermögen stammten. Dann erfüllte der Erblasser mit diesen Zahlungen auch seine eigene Zinsverbindlichkeit. Als Gesamtschuldner hätte er dafür aber nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig einen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in hälftiger Höhe erlangt. Falls jedoch zwischen dem Erblasser und der Beklagten eine abweichende Übereinkunft bestand, dass er für die von ihm erbrachten Zahlungen auf die gemeinsame Gesamtschuld keinen Ausgleich von ihr erhalten werde, war der Erblasser im Umfang dieses verlorenen Ausgleichsanspruchs entreichert und die Beklagte entsprechend bereichert.

19

cc) Für die Frage einer Bereicherung der Beklagten aus dem Vermögen des Erblassers ist daher maßgeblich, ob die Eheleute etwas anderes als den regelmäßigen Ausgleich unter Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB für die nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt vom Erblasser erbrachten Zahlungen bestimmt haben.

20

Der gesetzliche Gesamtschuldnerausgleich wird durch die Ehe des Erblassers mit der Beklagten, insbesondere durch die güterrechtlichen Vorschriften der Zugewinngemeinschaft nicht verdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – XII ZB 314/14 ,FamRZ 2015, 1272Rn. 15; Urteil vom 6. Oktober 2010 – XII ZR 10/09 ,FamRZ 2011, 25Rn. 16). Gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältni sses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGH, Urteile vom 6. Oktober 2010 aaO Rn. 17; vom 17. Mai 1983 – IX ZR 14/82 , BGHZ 87, 265 unter I 2 a [juris Rn. 12]; jeweils m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es daher keines ausdrücklichen Schulderlasses durch den leistenden Gesamtschuldner, um eine Ausgleichsforderung aus § 426 Abs. 1 BGB auszuschließen.

21

Während intakter Ehe kann die grundsätzlich hälftige Beteili gung der Gesamtschuldner an den Belastungen vielmehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine andere Aufteilung ergibt ( vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1993 – XII ZR 212/90 ,FamRZ 1993, 676unter B I 1 a [juris Rn. 26]; so auch BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 – XII ZR 40/09 , BGHZ 188, 282 Rn. 53 ). Ob dies hier der Fall war, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Das Berufungsgericht hat bisher keine Feststellungen zum Innenverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffen, soweit es die Zahlungen auf die gemeinsame Zinsschuld betraf.

22

b) Bei der Prüfung der Frage, ob eine unbenannte Zuwendung unter § 2325 BGB fällt, kommt es weiter darauf an, ob es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten in der Regel als objektiv unentgeltlich anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90 , BGHZ 116, 167 unter II 2 [juris Rn. 14]). Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes (auf den kein Rechtsanspruch besteht) ist unentgeltlich, wenn er von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers nicht rechtlich abhängig ist. Dabei kommen als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrages als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (aaO unter II 2 a [juris Rn. 15]). So ist eine unbenannte oder sogar ausdrücklich zur Alterssicherung bestimmte Zuwendung unter Ehegatten entgeltlich , wenn sie sich im Rahmen einer nach konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung hält (vgl. aaO [juris Rn. 20]). Dementsprechend kann auch eine ehebedingte Zuwendung, durch die langjährige Dienste nachträglich vergütet werden, die ein Ehegatte dem anderen vor und nach der Eheschließung geleistet hat, im Rahmen des objektiv Angemessenen als entgeltlich anzusehen sein (aaO).

23

Nachdem die Beklagte, die insoweit eine sekundäre Darlegungslast zur Entgeltlichkeit der Zuwendung trifft (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94 , NJW -RR 1996, 705 unter 2 b bb [juris Rn. 20]), vorgetragen hat, die Zahlungen auf das Darlehen hätten der Sicherung der gemeinschaftlichen Ehewohnung gedient, ist zu prüfen , ob die Leistung etwa unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ob ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete, konkrete Gegenleistung gegenübersteht oder nicht (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90 , BGHZ 116, 167 unter II 3 [juris Rn. 27]). Dazu fehlt es hinsichtlich der Zinszahlungen, die nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt aus dem Vermögen des Erblassers geleistet wurden, an Feststellungen. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – bisher nicht geprüft, ob die Zinszahlungen unterhaltsrechtlich geschuldet waren.

24

Das Berufungsgericht wird sich daher gegebenenfalls auch damit zu befassen haben, ob die Zinsleistungen – anstelle von Mietzahlungen – ein gemäß §§ 1360 , 1360a BGB geschuldeter Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten gewesen sein könnten (vgl. dazu MünchKomm-BGB/ Weber-Monecke, 7. Aufl. § 1360a BGB Rn. 4; Staudinger/Voppel (2012), § 1360a BGB Rn. 7; Kleffmann in Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht Teil H Rn. 9 (Stand: Dezember 2014); Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 3 Rn. 27).

25

III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit die Klage hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsbegehrens der Kläger in Höhe von jeweils 7.041,63 € nebst Zinsen und der Nebenforderung des Klägers zu 2 in Höhe von 61,88 € abgewiesen worden ist. Dieser Betrag entspricht einer Pflichtteilsquote von je 1/8 aus 56.333,06 €, d.h. der Hälfte der Zinszahlungen von insgesamt 112.666,12 €. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht, das die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben wird, zurückzuverweisen.

Mayen
Felsch
Harsdorf-Gebhardt
Lehmann
Dr. Bußmann

Von Rechts wegen

Vorschriften
§ 2325 BGB, § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 426 BGB, § 2325 Abs. 1 BGB, § 516 BGB, §§ 421, 427 BGB, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 426 Abs. 1 BGB, §§ 1360, 1360a BGB

Bei einem Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren muss die Vorgeschichte aller äußeren Umstände in das Gutachten bezüglich einer Testierunfähigkeit einbezogen werden

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 23.01.2018 – 20 W 4/16
Zu den Anforderungen an ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren zur Frage der Testierfähigkeit bei möglicher vaskulär bedingter Demenz und gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passagaren Zusatzsymptomen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 23.01.2018

Az.: 20 W 4/16

Tenor:

Die Sache wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Wiesbaden – Nachlassgericht – zurückverwiesen.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, wer die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu tragen hat.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit der am 28.10.2015 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Beschwerdeschrift ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag gegen den diesen am 29.09.2015 zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 31.08.2015.

Mit diesem Beschluss, auf den wegen seiner Begründung Bezug genommen wird (Bl. 429 ff der Nachlassakte), hat das Nachlassgericht zum einen den am 24.05.2013 zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 122 f der Nachlassakte) zurückgewiesen, mit dem diese unter Bezugnahme auf das am 22.11.2012 eröffnete notarielle Testament der Erblasserin vom 18.10.2012 (Urkunde des Notars A Nr. …, Bl. 89 ff der Nachlassakte) die Erteilung eines Erbscheins begehrt, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweist. Zum anderen hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) unter dem 05.06.2013 (Bl. 149 ff der Nachlassakte) in der Fassung vom 20.08.2015 (Bl. 424 ff der Nachlassakte) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Danach soll die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden sein durch den Beteiligten zu 2) zu 2/3, die Beteiligte zu 3) zu 1/6 sowie die Beteiligten zu 4) und 5) zu jeweils 1/12.

Wegen der familiären Verhältnisse der kinderlos verstorbenen Erblasserin und deren Lebenssituation in den letzten Jahren vor ihrem Tod im Einzelnen wird auf die umfassende Darstellung in dem angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts verwiesen (dort S. 2).

Die zweimal verheiratet gewesene Erblasserin hat nach Heirat mit ihrem zweiten Ehemann am 12.05.1972 ein auf den 01.08.1972 datiertes gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ihres Vermögens eingesetzt haben und weiterhin verfügt haben: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten“ (Bl. 13 der Nachlassakte).

Dieses Testament ist ebenfalls am 22.11.2012 nach dem Tod der Erblasserin nochmals eröffnet worden.

Der am XX.06.1984 vorverstorbene zweite Ehemann der Erblasserin hatte zuvor mit seiner ersten Ehefrau am 03.11.1966 ein nach dessen Tod nochmals eröffnetes, auf den 03.11.1966 datiertes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 4 der Nachlassakte), das denselben Wortlaut hat, wie das zuvor genannte gemeinschaftliche, auf den 01.08.1972 datierte handschriftliche Testament.

Das Nachlassgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Erblasserin bei der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 zwar in ihrer Testierfreiheit nicht durch das mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament in ihrer Testierfreiheit beschränkt gewesen sei, da die in dessen inhaltsgleichem gemeinschaftlichen Testament mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau vom 03.11.1966 angeordnete gesetzliche Schlusserbfolge zu Gunsten deren gemeinsamen Abkömmlings wechselbezüglich zu der jeweiligen Alleinerbeneinsetzung der damaligen Eheleute gewesen sei, so dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin diese Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod seiner ersten Ehefrau nicht mehr habe widerrufen können. Somit sei die wechselseitige Erbeinsetzung der Erblasserin und ihres vorverstorbenen zweiten Ehemanns in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01.08.1972 unwirksam. Die Erblasserin sei daher nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes an die in deren gemeinschaftlichem Testament vom 01.08.1972 nach dem Längstlebenden angeordnete gesetzliche Erbfolge nicht gebunden gewesen und habe anderweitig letztwillig verfügen dürfen. Allerdings sei die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 18.10.2012 nicht mehr testierfähig gewesen. Wegen der Begründung der vom Nachlassgericht angenommenen Testierunfähigkeit im Einzelnen, wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Weiterhin wird verwiesen auf den Inhalt des Protokolls der Anhörung und Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 25.07.2014 über die Vernehmung der Zeugen B, Rechtsanwalt und Notar A, C und D sowie der Anhörung der Beteiligten zu 1) (Bl. 250 ff der Nachlassakte), den Inhalt des Protokolls der Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 17.10.2014 über die Vernehmung des ehemaligen Hausarztes der Erblasserin, des Zeugen E (Bl. 315 ff der Nachlassakte), das Gutachten des vom Nachlassgericht zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 bestellten Sachverständigen F vom 01.03.2015 (Bl. 338 ff der Nachlassakte), sowie auf den „Sonderband“ des Nachlassgerichts zur Nachlassakte (nachfolgend nur: Sonderband), in dem sich u.a. auszugsweise Kopien aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Wiesbaden im Hinblick auf ein vorläufiges Betreuungsverfahren für die Erblasserin (Az.: …) befinden, so insbesondere 3 fachärztliche Gutachten des hiesigen Zeugen B vom 16.01.2012 (Bl. 3 ff des Sonderbandes), vom 12.06.2012 (Bl. 40 ff des Sonderbandes) und vom 18.06.2012 (Bl. 62 ff des Sonderbandes), sowie Kopien weiterer Arztberichte (Bl. 84 bis 123 des Sonderbandes).

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) haben vor dem Nachlassgericht in ihrem Schriftsatz vom 06.05.2013 (Bl. 124 ff der Nachlassakte) die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei nicht gehindert gewesen, eine erneute Verfügung von Todes wegen zu treffen. Das gemeinschaftliche Testament vom 01.08.1972 beinhalte jedenfalls hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung keine wechselbezügliche Verfügung.

Einziges Motiv sei gewesen, sich gegenseitig als Erben einzusetzen. Weiterhin haben sie bereits vor der angefochtenen Entscheidung des Nachlassgerichts die Auffassung vertreten, eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 sei nicht nachgewiesen; es bestünden keine Zweifel daran, dass die Erblasserin testierfähig gewesen sei und eine freie und unbeeinflusste Entscheidung getroffen habe (auf deren diesbezügliche Schriftsätze vom 19.02.2014, Bl. 188 der Nachlassakte, vom 19.05.2014, Bl. 209 ff der Nachlassakte, und vom 08.04.2015, Bl. 391 ff der Nachlassakte wird Bezug genommen). In der Beschwerdebegründung vom 09.12.2015, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 486 ff der Nachlassakte), gehen die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) ausschließlich auf die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin ein und begründen, wieso das Nachlassgericht nach deren Ansicht zu Unrecht von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 ausgegangen sei. In ihrem Schriftsatz an den Senat vom 29.01.2016 (Bl. 506 f der Nachlassakte) habe sie drei weitere Zeugen benannt für Umstände, die nach ihrer Auffassung die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin dokumentieren würden, da sie aufzeigen könnten, dass die Erblasserin ihre Angelegenheiten bis zu ihrem Tod selbst gehörig erledigt habe. Für den Fall, dass das Nachlassgericht den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt habe, haben sie weiterhin einen Zurückverweisungsantrag an das Nachlassgericht gestellt.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts, diese sei eindeutig, nachvollziehbar und vor allem fachlich fundiert.

Erstinstanzlich hatte er vor Kenntnisnahme von dem Ehegattentestament des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin vom 03.11.1966 zunächst die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei bereits durch das Ehegattentestament vom 01.08.1972 gebunden gewesen, so dass sie an der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 gehindert gewesen sei. Nachfolgend hat er aber auch die Testierfähigkeit der Erblasserin zum 18.10.2012 in Frage gestellt und hilfsweise die Einholung eines „fachärztlichen Aktengutachtens“ beantragt (Schreiben vom 13.08.2013, Bl. 163 der Nachlassakte) sowie dem eingeholten Sachverständigengutachten, mit Ausnahme zweier textlicher Korrekturen, inhaltlich zugestimmt (Schreiben vom 14.03.2015, Bl. 385 der Nachlassakte). Weiterhin wird Bezug genommen auf die Schreiben des Beteiligten zu 2) an das Nachlassgericht vom 25.04.2015 (Bl. 396 f der Nachlassakte) und vom 01.11.2015 (Bl. 461 f der Nachlassakte), sowie dessen Schreiben an den Senat vom 21.01.2016 (Bl. 503 der Nachlassakte) und vom 06.02.2016 (Bl. 508 der Nachlassakte).

Die Beteiligten zu 3) bis 5) haben im Verfahren der Beschwerde keine Stellungnahmen abgegeben.

Letztlich wird Bezug genommen auf sämtliche zur Nachlassakte gereichten Stellungnahmen und Urkunden.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Beteiligte zu 1) ist als mögliche testamentarische Erbin der Erblasserin durch die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und die Feststellung der zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins möglicherweise in ihrem eigenen Erbrecht beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63, 64 FamFG).

Die Beschwerde hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache vorerst Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts und des Verfahrens ist dieses zur weiteren Sachbehandlung und neuerlichen Entscheidung an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, da das Verfahren des Nachlassgerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung eine umfangreiche weitere Beweiserhebung notwendig ist und die Beteiligte zu 1) die Zurückverweisung an das Nachlassgericht beantragt hat (§ 69 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 FamFG).

Allerdings geht das Nachlassgericht zunächst im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Erblasserin nicht durch das am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann an der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 gehindert war, was im Verfahren der Beschwerde auch von dem Beteiligten zu 2) nicht mehr gegenteilig vertreten worden ist. Mangels jeglicher Anhaltpunkte für eine anderweitige Testamentsauslegung muss davon ausgegangen, dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin an das von diesem mit seiner ersten Ehefrau errichtete Ehegattentestament vom 03.11.1966 gebunden war, mit der Folge der Nichtigkeit der im Ehegattentestament vom 01.08.1972 erfolgten und im Wechselbezug mit der nichtigen Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann stehenden Erbeinsetzung dessen gesetzlicher Erben durch die Erblasserin (§§ 2270, Abs. 1 und 2 BGB). Ob dann allerdings – wie das Nachlassgericht offensichtlich meint – auch die von der Erblasserin in dem Ehegattentestament weiterhin getroffene Anordnung der gesetzlichen Erbfolge ihrer von diesem Wechselbezug nicht betroffenen eigenen gesetzlichen Erben ebenfalls unwirksam geworden ist, mit der Konsequenz der gesetzlichen Erbfolge nach der Erblasserin, oder ob das Nachlassgericht hier nicht vielmehr gehalten gewesen wäre, zu prüfen, ob die Erblasserin diese Erbeinsetzung als Einzeltestament hätte aufrecht erhalten wollen, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden. Auch dann würde sich im Ergebnis materiell die gesetzliche Erbfolge nach der Erblasserin – allerdings aufgrund testamentarischer Anordnung – ergeben, was aber für den Inhalt des zu erlassenden Erbscheins ohne Belang ist, da der Berufungsgrund jedenfalls dann, wenn ein einzelner Erbe nicht zu unterschiedlichen Quoten aus verschiedenen Gründen berufen ist, im Erbschein nicht anzugeben ist (vgl. Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, 3. Aufl. 2016, Rn. 329 m.w.N.)

Der wesentliche Mangel liegt hier aber in der Verletzung der in § 26 FamFG normierten gerichtlichen Aufklärungspflicht durch das Nachlassgericht, soweit dieses auf Basis der bislang angestellten Ermittlungen bereits zu dem Ergebnis gekommen ist, die Erblasserin sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 18.10.2012 testierunfähig gewesen. Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da sich die Möglichkeit einer im Ergebnis anderen Entscheidung nach durchgeführter weiterer Aufklärung durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und gegebenenfalls dabei erforderlicher weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht ausschließen lässt. Da eine Durchführung der zur Beurteilung der Testierfähigkeit noch erforderlichen weiteren Aufklärung durch den Senat als Beschwerdegericht faktisch dem Verlust einer Instanz für die Beteiligten gleichkommen würde (vgl. Sternal in Keidel, 19. Aufl., 2017, § 69 Rn. 15b, m.w.N. zur Rspr.), hält der Senat eine Zurückverweisung der Verfahrens für erforderlich.

Im Erbscheinsverfahren hat das Nachlassgericht Zweifel, die auf konkreten Umständen und dargelegten Auffälligkeiten beruhen, ohne Bindung an den Vortrag der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen (§ 26 FamFG, § 2358 BGB a.F.). Für die Durchführung von Ermittlungen durch das Gericht, insbesondere durch eine Beweisaufnahme, ist dabei nicht zu verlangen, dass die Beteiligten entsprechend der für den Zivilprozess geltenden Grundsätze Beweis antreten müssen; vielmehr genügt es, dass der Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel durch die Beteiligten dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtungen es seine Ermittlungen durchführen kann. Die richterliche Aufklärungspflicht ist dabei dann verletzt, wenn Ermittlungen und Aufklärungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind. Dabei sind die Ermittlungen und Aufklärungen erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem sind bei der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite besonders sorgfältige Untersuchungen geboten, die unter anderem eine Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände voraussetzt (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 22.12.1997, Az. 20 W 264/95, zitiert nach Beck-online, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2015, Az. 11 Wx 82/14, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren des Nachlassgerichts nicht gerecht. Das Nachlassgericht durfte seine Entscheidung nämlich nicht – wie es dies getan hat – auf das Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen F vom 01.03.2015 stützen.

Für die Feststellung einer Testierunfähigkeit ist zunächst von der folgenden Rechtslage auszugehen, die das Nachlassgericht auch erkannt hat:

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei gilt als testierunfähig derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, also von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. u.a. bereits BGH, Urteil vom 29.01.1958, Az. IV ZR 251/57; BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04; OLG München, Beschluss vom 14.08.2007, Az. 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. u.a. Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2229 Rn. 1 m.w.N.).

Das vom Nachlassgericht eingeholte Sachverständigengutachten des F (nachfolgend nur: der Sachverständige) reicht jedoch nicht aus, um bereits die Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellen zu können.

Wie oben bereits dargelegt, ist im Rahmen der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite eine besonders sorgfältige Untersuchung geboten. Diesen Anforderungen muss auch und gerade das zu dieser Frage eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten genügen.

Dies ist vorliegend leider nicht der Fall.

Das erstellte Gutachten des Sachverständigen erweist sich vielmehr als derart unsorgfältig und lückenhaft, dass es das Nachlassgericht nicht zur maßgeblichen Grundlage seiner Feststellung der Testierunfähigkeit der Erblasserin machen durfte. Dieses Gutachten folgt damit in seiner Qualität leider anderen Begutachtungen dieses Sachverständigen, wie sie dem Senat in jüngerer Vergangenheit auch in anderen Beschwerdeverfahren vorgelegen haben.

So fällt bereits auf, dass der Sachverständige auf Seite 60 seines Gutachtens darlegt: „Das von Herrn G angeführte Medikament hat den Wirkstoff Alprazolam“. Eine derartige Person ist dem Senat im vorliegenden Verfahren schon nicht bekannt. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Zeuge E mitgeteilt hat, bei dem von der Erblasserin eingenommenen Benzodiazepin habe es sich um Lexotanil gehandelt, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke nicht Alprazolam sondern Bromazepam ist. Zum anderen ergibt sich auch aus dem im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Wiesbaden (Az. …) für die Erblasserin eingeholten Gutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (dort S. 8, Bl. 47 des Sonderbandes), dass die Erblasserin das Benzodiazepin Oxazepam eingenommen habe, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke ebenfalls nicht Alprazolam sondern Oxazepam ist. Somit befassen sich die weiteren Ausführungen des Sachverständigen auf Bl. 60, 61 seines Gutachtens offensichtlich schon nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt.

Selbst wenn es sich wohl nur um eine Verwechslung im Namen handelt, erwähnt der Sachverständige dann an anderer Stelle seines Gutachtens eine „Frau H“ hinsichtlich der zu diskutieren sei, ob ihre Testierfähigkeit aufgehoben sei (S. 74 des Gutachtens).

Schon diese beiden Umstände belegen eine oberflächliche Handhabung der vorliegenden Begutachtung, die dem Gebot einer besonders sorgfältigen Untersuchung nicht gerecht werden.

Auch in der von dem Sachverständigen seiner Diagnose eines „schweren kognitiven Verfalls“ der Erblasserin (Seite 69 des Gutachtens) zu Grunde gelegten Sachverhaltsdarstellung ab Seite 65 des Gutachtens ergeben sich weitere Ungenauigkeiten und Auslassungen, die den Anforderungen an eine besonders sorgfältige Untersuchung nicht gerecht werden. Beispielsweise stellt der Sachverständige dort dar, seitens des Hausarztes und Zeugen E sei beschrieben worden, dass die Erblasserin bereits im Jahre 2010 „deutliche“ Defizite in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit aufgezeigt habe und für ihn als langjährig betreuender Hausarzt eine „deutliche“ dementielle Entwicklung bemerkbar gewesen sei. In der protokollierten Aussage des Zeugen heißt es jedoch: „Im Jahr 2010 habe ich bei Frau I bereits gewisse Defizite im Hinblick auf eine dementielle Entwicklung bemerkt“. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung des Sachverständigen, der Zeuge E habe dargestellt, dass dann auch die immer sehr gute Fassade im Jahr 2011 „deutlich“ gebröckelt wäre, während der Zeuge ausweislich des Protokolls ausgesagt hat, „bröckelte ihre Fassade zunehmend“ bzw. „in den Zeitpunkten, in denen sie sich im Delir befand – sei es aufgrund von Entzugserscheinungen oder unzureichender Flüssigkeitszufuhr – war sie nicht mehr in der Lage, die ansonsten noch recht gute Fassade zu halten“. Auch die Feststellung des Sachverständigen, wonach der Zeuge E erklärt habe, in diesen Situationen sei die Erblasserin dann vollständig desorientiert zur Tageszeit gewesen und nur teilweise orientiert zur Person, ist gegenüber der Protokollierung der Aussage dahingehend ungenau, dass der Zeuge die Personendesorientierung lediglich auf seine eigene Person bezogen hat und nicht auf die Person der Erblasserin selbst; dies hat der Zeuge E dann später noch einmal deutlicher dahingehend erklärt, dass die Erblasserin zur Person und zum Ort, an dem sie sich aufhielt, in diesen Situationen allerdings meistens orientiert gewesen sei. Auch die Feststellungen des Sachverständigen, der Zeuge E habe die Erblasserin als „ehemals“ elegante und auf ihr Äußeres bedachte Dame beschrieben, findet sich so in dem Wortlaut des Sitzungsprotokolls nicht. Nur in dem vorausgegangenen ärztlichen Attest des E vom 15.04.2014 (Bl. 197 f der Nachlassakte) heißt es: „Daher ist mir ein rascher und tiefgreifender Verfall einer sehr eleganten, auf ihr Äusseres bedachten und aus meiner Sicht gebildeten, eloquenten und eleganten Dame in Erinnerung“ (Sitzungsprotokoll dann: „In all diesen Jahren habe ich sie als ausgesprochen eloquente und gepflegte Person erlebt. Umso erschütternder war ihr Abbau in den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod“). Der Sachverständige zitiert in diesem Zusammenhang aber nicht, dass der Zeuge E auch ausgesagt hat, dass die Erblasserin trotz ihrer Defizite bis zum Schluss eine „eitle Frau“ geblieben sei, die sich immer noch habe schminken lassen, und bewertet folglich auch nicht, was dieser Umstand für seine Begutachtung möglicherweise bedeuten könnte. Weiterhin findet sich in dem Gutachten beispielsweise auch keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von dem Zeugen E geschilderten Situationen, in denen die Erblasserin ihm unbekleidet die Tür geöffnet hat – sich nach der entsprechenden eigenen Wertung des Sachverständigen also „schamlos“ gezeigt hat – nicht lediglich auf die Situationen beschränkt war, in denen der Zeuge E dann auch eine entsprechende Desorientierung zur Tageszeit und teilweise zu seiner Person im Zusammenhang damit festgestellt hat, dass die Erblasserin zu wenig getrunken und gegessen hatte, bzw. ihr Lexotanil nicht eingenommen hatte. Für letzteren Zusammenhang sprechen jedenfalls die protokollierten Darlegungen des Zeugen. Insofern erschließt es sich dem auch Senat nicht, inwieweit dieses von dem Zeugen geschilderte Verhalten dann noch als Grundlage der weiteren gutachterlichen Ausführungen zur Diagnose eines schweren kognitiven Verfalls bei vaskulärer Demenz und – dort unausgesprochen – für die von dem Sachverständigen bejahte pathologische Persönlichkeitsveränderung bzw. als maßgebliche überdauernde Verhaltensauffälligkeit hätte herangezogen werden können. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Aussage des Zeugen findet sich in dem Gutachten jedenfalls nicht. Ein weiteres Beispiel der unsorgfältigen Begutachtung durch den Sachverständigen ergibt sich aus dessen Hinweis, der Zeuge C habe im Rahmen der Aufenthalte im Juni 2012 dokumentiert, dass sich der Zustand der Erblasserin „dramatisch“ verschlechtert habe. Auch diese Art der Bezugnahme durch den Sachverständigen wird der protokollierten Aussage des Zeugen nicht gerecht und legt nahe, dass der Zeuge insoweit auf eine generelle „dramatische“ Verschlechterung hingewiesen habe. Ausweislich des Protokolls ergibt sich demgegenüber jedoch, dass die Aussage des Zeugen C zur „dramatischen“ Verschlechterung ihres Gesamtzustandes auf den Tag der Klinikeinweisung im Juni 2012 bezogen war.

Nachfolgend hat er dann dargelegt, insgesamt wolle er aber zu dem körperlichen und geistigen Zustand der Erblasserin in diesen 6 Monaten ausführen, dass sich „ihr körperlicher Zustand und insbesondere ihre Beweglichkeit zunehmend erheblich verschlechtert“ hätten, ihr „Geisteszustand“ „schwankend“ gewesen sei.

Unsachgemäß ist es weiterhin – wie auch bereits in anderen, dem Senat bekannt gewordenen Gutachten des Sachverständigen – zur Begründung auf wissenschaftliche Quellen hinzuweisen, ohne diese im Einzelnen zu spezifizieren. So weist der Sachverständige vorliegend beispielsweise auf „Habermeier, Saß und Cording“ hin (Seite 72 des Gutachtens), oder legt dar: „Entsprechend wird man Konstellationen wie Gedächtnis, Orientierung, Urteilsvermögen und Problemlösen, gesellschaftliche Aktivitäten und Körperpflege in Anlehnung an die Clinical Dementia Rating Scale nach Berg zu diskutieren haben, wie natürlich auch das kognitiven Verfallsstadium nach Reisberg und Mitarbeitern hier eine entsprechende Wertigkeit und Wichtigkeit erhält“ (Seite 64 des Gutachtens), bzw.: „Fasst man dies nun in die Qualifikationsmerkmale der Stadien des kognitiven Verfalls nach Reisberg und Mitarbeiter und ihren klinischen Entsprechungen, so wird man hier von einem schweren kognitiven Verfall auszugehen haben“ (Seite 69 des Gutachtens). Diese Vorgehensweise verhindert es, die sachverständige Beurteilung nachvollziehen zu können, was Voraussetzung für die gerichtliche Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens ist. So führte diese Unklarheit hier beispielsweise dazu, dass der Senat im Rahmen einer Internetrecherche feststellen musste, dass jedenfalls die „Reisbergskala“, die der Sachverständige hier möglicherweise in Bezug nehmen wollte, wohl Schweregrade bei einer vorliegend von dem Sachverständigen gerade verneinten Alzheimer-Krankheit beschreibt.

Weiterhin hat der Sachverständige zwar auf Seite 64 seines Gutachtens erklärt, dass es sich bei einer Demenz vom Alzheimertyp um eine solche mit chronisch-progredienter Verlaufsform handele. Zum Verlauf der von ihm im vorliegenden Fall diagnostizierten vaskulären Demenz hat der Sachverständige jedoch keinerlei Ausführungen zu deren Verlaufsform gemacht, was nach Ansicht des Senats bei dieser Diagnose zwingend erforderlich gewesen wäre. So hat beispielsweise das OLG München in seinem Urteil vom 17.07.2013 (Az. 3 U 4789/09, zitiert nach juris) auf eine dortige Sachverständigenäußerung abgestellt, wonach der dortige Sachverständige sich auch im Hinblick auf die Problematik der Beweisbarkeit einer Testierunfähigkeit mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob bei der dortigen Erblasserin eine vaskuläre Demenz möglich bzw. wahrscheinlich sei bzw. eine Mischform (zwischen vaskulärer und rein metabolisch bedingter Alzheimer-Demenz) vorliege, weil bei derartigen Konstellationen dann auch Fluktuationen möglich gewesen wären, die bedeuten würden, dass auch in einer besonders neurologisch guten Verfasstheit ein Testament hätte errichtet worden sein können. Auch der Zeuge B – immerhin auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – hat in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012, festgestellt, dass bei einer vaskulären Demenz die kognitiven Defizite häufig flukturieren (S. 26 des dortigen Gutachtens, Bl. 28 der Sonderbandes).

Der vorliegende Fall bedarf auch deswegen einer besonders sorgfältigen Begutachtung, weil die möglicherweise aufgrund der vom dem Sachverständigen bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin entstandenen Dauerveränderungen von den gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passageren Zusatzsymptomen (Delire, Exsikkosen, Entzugserscheinungen aufgrund Nichteinnahme des Benzodiazepins) abzugrenzen sind bzw. im Hinblick darauf, welche Symptome der Erblasserin alleine Ausdruck einer festzustellenden Dauerveränderung waren oder aber ausschließlich oder teilweise der passageren Zusatzsymptome und welche Wechselwirkungen dabei möglich waren. Gerade, da hier nach der Sachlage wohl nicht von einer sicheren dauerhaften Einnahme des Benzodiazepins und einer dauerhaften Versorgung mit ausreichend Flüssigkeit ausgegangen werden kann, bedurfte es einer wesentlich eingehenderen entsprechenden Begutachtung. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit verschiedene, der Abhängigkeits- bzw. Minderversorgungsproblematik geschuldete auffällige Verhaltensweisen der Erblasserin als solche Symptome einer überdauernden Demenz (fehl-) interpretiert worden sein könnten, und ob Letztere deswegen möglicherweise – auch von den Zeugen – als stärker wahrgenommen worden sein könnte, als sie tatsächlich bei einer ordnungsgemäßen Einnahme des Benzodiazepins und bei ordnungsgemäßer Zufuhr von Flüssigkeit gewesen ist. Diese Möglichkeit musste gerade im Hinblick auf die Ergebnisse der verschiedenen Mini-Mental-State Tests (nachfolgend: MMST) diskutiert werden, die im ersten Halbjahr 2012 bei der Erblasserin erhoben worden sind, und im Gutachten schon daher einer eingehenden Einordnung bedurft hätten (vgl. noch nachfolgend in diesem Beschluss). Dies gilt unabhängig davon, dass – worauf auch der Sachverständige hingewiesen hat – allerdings wohl tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Testaments am 18.10.2012 unter den von dem Gutachter allgemein dargestellten schweren Absatzphänomenen gelitten haben dürfte, da diese dann ohne weiteres dem beurkundenden Notar, dem Zeugen Klein, hätten auffallen müssen.

Es reicht also nicht aus, wenn der Sachverständige, ohne auf die zuvor dargelegten Besonderheiten einzugehen, in diesem Zusammenhang auf Seite 70 seines Gutachtens erklärt, dass neben der Demenz natürlich im Rahmen der persönlichen Mangelversorgung es immer wieder zu akuten gesundheitlichen Verschlechterungen gekommen sei durch mangelhafte Flüssigkeitszufuhr und dann daraus resultierenden akuten Verwirrtheitszuständen und deliranten Symptomen, in Verbindung dann auch mit der Benzodiazepin Entzugssymptomatik. Genauso wenig reicht seine Feststellung aus, diese Auffälligkeiten hätten „natürlich vom dementiellen Syndrom abgegrenzt werden“ müssen, weshalb „die unterschiedlichen Betrachtungsebene jeweils hier diskutiert worden“ seien. Die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen beziehen sich jeweils gesondert auf die einzelnen „Betrachtungsebenen“, ohne mögliche Überschneidungen und deren Auswirkungen auf das Gutachtenergebnis zu problematisieren. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich einer Abgrenzung zu einer Altersdepression, die wiederum in ihren Auswirkungen möglicherweise Einfluss auf die bei der Erblasserin wahrgenommenen Verhaltensänderungen haben konnte, was jedoch ohne gründliche sachverständige Begutachtung durch ein Gericht nicht beurteilt werden kann. Jedenfalls der Zeuge E hat in seiner Vernehmung angegeben: „Im Nachhinein würde ich auch sagen, dass sie (die Erblasserin) an einer Depression gelitten hat. Sie hat ihren Lebensmut immer wieder mal verloren.“. Auch in seinem schriftlichen Attest vom 15.04.2014 (Bl. 195 d.A.) hatte dieser Zeuge dargelegt: „Ihren Lebensmut hatte aus meiner Sicht Frau I bereits zwei Jahre zuvor verloren und schon damals hat die Patientin immer wieder notwendige ärztliche Untersuchungen verweigert und auf den Wunsch nach einem eher palliativ orientierten medizinischen Konzept hingewiesen“. Der Sachverständige setzt sich jedoch auch hier nicht damit auseinander, inwieweit von den Zeugen geschilderte Umstände und Verhaltensweisen der Erblasserin, die dann im Gutachten wiederum zur Begründung der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit angenommenen Testierunfähigkeit der Erblasserin herangezogen worden sind, auch durch die möglicherweis vorliegende Altersdepression bestimmt gewesen sein können und dann als Ausdruck einer fortschreitenden demenziellen Entwicklung (fehl-) interpretiert worden sein können.

Wie oben bereits dargelegt, wäre es im vorliegenden Fall auch erforderlich gewesen, die Ergebnisse der verschiedenen MMST, die im ersten Halbjahr 2012 von der Erblasserin erhoben worden sind, eingehender zu berücksichtigen und einzuordnen.

So ergibt sich ein Wert von 21 Punkten des MMST im Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 aufgrund einer Untersuchung am 11.01.2012 (S. 16 dieses Gutachtens, Bl. 18 des Sonderbandes; dort im Ergebnis als mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom bewertet, in der Aussage des Zeugen B in der Vernehmung vor dem Nachlassgericht dann jedoch als „leichtes jedoch eher mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom“ bewertet).

Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht des Zentrums für Internistische und Geriatrische Medizin (Mobile Rehabilitation der Erblasserin vom 31.01. bis 15.03.2012) vom 15.03.2012 an den Hausarzt der Erblasserin, den Zeugen E, das Ergebnis eines weiteren MMST bei dortiger Aufnahme von 26 Punkten (Bl. 99, 100 des Sonderbandes). Dabei fällt auf, dass der Sachverständige nicht einmal im Rahmen seiner Aktenzusammenfassung dieses Testergebnis erwähnt hat, was ebenfalls für eine unsorgfältige Untersuchung spricht.

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 04.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 27 Punkten (S. 9, 10 dieses Gutachtens, Bl. 48, 49 des Sonderbandes; in der Aussage des Zeugen B vor dem Nachlassgericht dann: „…weshalb ich von meiner Diagnose her ein nunmehr nur noch leichtes hirnorganisches Psychosyndrom auf der Grundlage einer vermutlich vaskulären Ursache annahm“; bei der dortigen Untersuchung sprach im Übrigen auch der Uhrentest nach Shulmann für das Vorliegen eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms).

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 18.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 14.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 21 Punkten (S. 12 dieses Gutachtens, Bl. 73 des Sonderbandes, dort bezeichnet als leichtes bis mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom).

Letztlich ergibt sich aus dem Arztbrief der Klinik2 vom 21.06.2012 unter Bezugnahme auf eine Erhebung vom 20.06.2012 ein entsprechender Wert von 24 Punkten (Bl. 84 ff des Sonderbandes).

Unter Berücksichtigung allgemein zugänglicher Quellen, die der Senat hier mangels entsprechender Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zu Rate ziehen musste, ist jedenfalls davon auszugehen, dass erst bei Punktwerten im MMST von unter 18 ein Anhalt für das Vorliegen einer mittelschweren Demenz geben ist, und erst bei Punktwerten von 26 oder darunter für das Vorliegen einer leichten Demenz.

Auch wenn – was der Senat wiederum mangels jeglicher entsprechender Auseinandersetzung im vorliegenden Gutachten aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 (a.a.O.) entnommen hat – ein MMST bei vaskulären Demenzen möglicherweise nicht so gut zur Einschätzung der Demenz geeignet sein könnte, wie bei einer Demenz vom Alzheimer Typ, bewegen sich diese Werte, die auch von dem Zeugen B letztlich trotz auch von ihm schon vermuteter Diagnose einer vaskulären Demenz erhoben worden sind, sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz; selbst die zeitnah zu den aufgrund eskalierter Ereignisse erfolgten Krankenhausaufnahmen im Dezember 2011 und Juni 2012 erhobenen Werte liegen noch bei 21 Punkten.

Gerade auch der Umstand, dass sich die Testergebnisse zwischenzeitlich immer wieder auf einen Stand von 24, 26 und 27 Punkten verbessert haben, hätte einer besonderen Erläuterung durch den Sachverständigen im Hinblick auf die von ihm bejahte dementielle Entwicklung mit einem „schwerem kognitiven Verfall“ bedurft (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2013, Az. 10 W 114/12, zitiert nach juris, Rn. 30, wo der dortige Sachverständige erklärt hat, es sei auffällig, dass die dortige Erblasserin ihr Testergebnis im Vergleich zum Jahr 2007 sogar verbessert habe, was mit einem normalen Demenzverlauf nicht zu erklären sei).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung bei Vorliegen einer mittelgradigen vaskulären Demenz mit erheblicher Störung des Kurzzeitgedächtnisses und des Zusammenhang orientierten Denkens eine Testierunfähigkeit bejaht worden ist (BayObLG, Beschluss vom 30.06.2005, Az.: 1Z BR 100/04, zitiert nach juris; entsprechend zur mittelgradigen Demenz vom Alzheimertypus mit Phasen der Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit: OLG München, Urteil vom 17.07.2013, Az.: 3 U 4789/09, zitiert nach juris). Das OLG Düsseldorf weist in ständiger Rechtsprechung allerdings darauf hin, dass alleine vom Vorliegen einer Demenzerkrankung auch mittleren Grades nicht ohne weiteres auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden könne (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.11.2010, Az. I-3 Wx 40/10, m.w.N., und Beschluss vom 04.04.2014, Az.: I-3 Wx 115/13, jeweils zitiert nach juris). Entsprechend weist Weidlich in Palandt, 76. Aufl., 2017, § 2229, Rn. 9, darauf hin, es sei nur eine grobe Faustregel, dass eine mittelschwere Demenz eine durchgehende Testierunfähigkeit bedinge und verweist insoweit auf Cording, ZEV 2010, 115, ff, 116, der weiterhin darlegt, es sei ein Missverständnis, dass nur ab einer mindestens mittelschweren Demenz Testierunfähigkeit angenommen werden könne, dann aber stets, und der weiterhin darauf hinweist, dass es letztlich immer auf die individuelle Psychopathologie ankomme, also auf die zweite Beurteilungsebene. Demgegenüber weisen Wetterling u.a. (ZEV 1995, 46 ff, 47, 48) darauf hin, dass eine Testierunfähigkeit bei einer mittelschweren Demenz als gegeben anzunehmen sei, da bei diesem Grad des Gedächtnisverlustes bzw. von Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten davon auszugehen sei, dass der Betroffene nicht mehr uneingeschränkt in der Lage sei, einen Willen zu bilden, aufgrund der intellektuellen Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt in der Lage sei, die Tragweite der letztwilligen Verfügung zu erfassen und deren Auswirkungen auf die Betroffenen zu berücksichtigen, auf fremde Hilfe angewiesen und mit seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen Dritter sei, wobei daneben bei der Beurteilung auch Persönlichkeitsveränderungen und die Einschränkung lebenspraktischer Fähigkeiten zu berücksichtigen seien. Auch Venzlaff/Förster (Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., Seite 517) gehen davon aus, dass dann, wenn ein leichtes demenzielles Syndrom vorliege, die Voraussetzungen für die Annahme von Testierunfähigkeit nicht gegeben seien, es sei denn, es lägen zusätzliche psychopathologische Auffälligkeiten vor, etwa im affektiven Bereich oder es bestehe eine Wahnsymptomatik, während bei einem mittelschweren wie bei einem schweren dementiellen Syndrom von einer Testierunfähigkeit auszugehen sei. Das OLG Bamberg (Beschluss vom 22.05.2015, Az. 4 W 16/14, zitiert nach juris) kam zu dem Ergebnis, dass bei einer vaskulären Demenz in einer mittelgradigen bis schweren Ausprägung eine freie Willensbildung nicht mehr möglich gewesen sei und nimmt dabei auch Bezug auf das dort eingeholte Sachverständigengutachten, wonach bei einem leichten Ausprägungsgrad der Demenz aus forensisch-psychiatrischer Sicht in der Regel von Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit ausgegangen werden könne, bei einer mittelschweren Ausprägung der dementiellen Erkrankung sich jedoch Überlegungen in Richtung einer Testierunfähigkeit ergäben, wobei es auf das Ausmaß der kognitiven Einschränkungen ankomme, die eine eigenständige Lebensführung ohne Hilfe nicht mehr gestatten würden und die vielfach mit Desorientierung einhergingen.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass der Schweregrad einer Demenz nur eine Faustregel für das Vorliegen von Testierunfähigkeit bilden könnte und vorliegend eine vaskuläre Demenz diagnostiziert worden ist, hält es der Senat, schon aus dem oben dargelegten Grund für erforderlich, dass sich der Sachverständige eingehender mit dem Schweregrad der von ihm angenommenen vaskulären Demenz auseinandergesetzt hätte, gerade im Hinblick auf die durchgehende Vielzahl der entsprechenden Befunderhebungen durch MMST.

Dies gilt auch deswegen, weil der Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung zur „zweiten Beurteilungsebene“, also der Auswirkungen der von ihm festgestellten Störungen auf die Freiheit der Willensbestimmung der Erblasserin, gerade auch auf die Schwere der von ihm bejahten Ausprägungen des Krankheitsbildes der Erblasserin abgestellt hat.

Die gilt beispielsweise im Rahmen der auf der derzeitigen Gutachtengrundlage für den Senat nicht nachvollziehbaren, vom Sachverständigen bejahten „erheblichen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen“ der Erblasserin (S. 78 bis 80 des Gutachtens). Dort hat der Sachverständige selbst ausdrücklich gerade darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen eines „lediglich leichten dementiellen Syndroms“ sicherlich noch von einer Erhaltung und Urteilsfähigkeit des Betroffenen ausgegangen werden könne, die einer Testierunfähigkeit entgegenstehe (S. 78 des Gutachtens).

Eine Einordnung der sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz bzw. an der Grenze zu einer leichten Demenz liegenden MMST Ergebnisse erfolgt jedoch nicht.

In diesem Zusammenhang weist der Sachverständige dann weiterhin darauf hin, dass sich entsprechend der Aussage des Zeugen E „Veränderungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit und damit auch Störungen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Gedächtnisses bereits im Jahr 2010 hätten darstellen lassen“ und weiterhin, dass spätestens im Dezember 2011 mit der stationären Einweisung in die Klinik1 dann mit der „Diagnosestellung einer Demenz“ eindeutig auch Aufmerksamkeits- und insbesondere auch Gedächtnisstörungen dokumentiert worden seien.

Weiterhin weist er dann auf eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes hin, wobei er wohl auf die Ausführungen des Zeugen B in dessen Vernehmung und auch in dessen Betreuungsgutachten vom 12.06.2012 abstellt, ohne dies an dieser Stelle deutlich zu machen. Worauf sich dann allerdings die unmittelbar nachfolgende Feststellung des Sachverständigen: „…was aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass nach wie vor eine ausgeprägte demenzielle Symptomatik ihren Fortbestand hatte“ stützt, bleibt völlig im Unklaren und wird nicht erläutert. Dies gilt auch für seine weitere Feststellung, es dürfe „…somit mit Fug und Recht aus psychiatrischer Sicht bezweifelt werden, dass Frau I tatsächlich den Inhalt des von ihr unterschriebenen Testaments tatsächlich verstanden und nachvollzogen hat. Dies setzt eine kognitive Leistungsfähigkeit voraus, die in Sichtung und Wertung der zur Verfügung gestellten Daten im Rahmen der gefundenen Beeinträchtigungen und Defiziten so nicht hatte gehalten werden können“. Gerade im Hinblick auf den von dem Sachverständigen behaupteten Fortbestand einer „ausgeprägten demenziellen Symptomatik“ findet sich auch hier keinerlei Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der oben genannten MMST.

Auch soweit der Sachverständige von einer krankheitsbedingten schweren Persönlichkeitsstörung der Erblasserin ausgeht, sind die diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten (S. 81, 82 des Gutachtens) unzureichend. Diese Ausführungen belegen nicht, dass bei der Erblasserin gerade als Ausdruck und in Folge der von dem Sachverständigen diagnostizierten vaskulären Demenz eine solche schwere Persönlichkeitsstörung bestand. Auch hier zeigt sich die schon oben aufgezeigte Problematik der fehlenden Abschichtung der von dem Sachverständigen diagnostizierten verschiedenen Krankheitsbilder und deren möglicher Symptome. So wird beispielsweise nicht deutlich, ob die von den Zeugen wahrgenommenen Aggressionen der Erblasserin ihre Ursache in einem demenziellen Prozess oder auch/nur in der offensichtlich immer wieder vorkommenden Nichteinnahme des Benzodiazepins oder der immer wieder einmal eingetretenen Zustände aufgrund Mangelversorgung (Exsikkosen) haben konnten. Gerade, wenn man berücksichtigt, dass selbst nach den Darlegungen des Sachverständigen schwere Absatzsymptome von Benzodiazepinen mit Verwirrtheit und psychotischen Entgleisungen einhergehen, also vielleicht auch Enthemmungen oder Euphorisierungen nach sich ziehen konnten, kann der Senat ohne entsprechende gründliche gutachterliche Feststellungen nicht ausschließen, dass auch darin die Ursache für die von Gutachter und Amtsgericht als feststehend angenommene schwere ausgeprägte Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin liegen könnte. Jedenfalls erschließt sich das Vorliegen einer auf einer vaskulären Demenz der Erblasserin beruhenden überdauernde Persönlichkeitsänderung der Erblasserin in Abgrenzung zu lediglich jeweils vorübergehenden Verhaltensepisoden nicht.

Hierbei ist es auch nicht ausreichend, wenn der Sachverständige ohne weitere Darlegungen im Einzelnen lapidar erklärt, es seien Beschuldigungen und Vorwürfe getätigt worden, die den biografisch gewachsenen Fundus der Erblasserin ad absurdum führten und ein sinnhaftes und konstruktives Auseinandersetzen mit ihrer Person und konstruktive Reproduktion biografisch gewachsener Überzeugungen und persönlicher Wertvorstellungen eben nicht mehr möglich gewesen seien. Zwar hat der Zeuge E zunächst mitgeteilt, dass die Erblasserin bereits im Jahr 2011 auch ihm gegenüber zunehmend aggressiv geworden sei und selbst ihm gegenüber vermutet habe, dass er ihr gegenüber negativ gesinnt sei, sie gegebenenfalls sogar einsperren wollte und dieses Misstrauen anderen Menschen gegenüber immer mehr zugenommen habe. Weiterhin hat der Zeuge E auch mitgeteilt, die Erblasserin habe sich im …heim nicht wohl gefühlt und den Pflegekräften misstraut, die ihrerseits erklärt hätten, es sei mit der Erblasserin sehr schwierig gewesen. Er hat aber weiterhin auch mitgeteilt, die Erblasserin sei sehr schwer führbar gewesen und ihr größter Wunsch sei es gewesen, wieder zurück nach Hause zu kommen. Sie habe invasive ärztliche Maßnahmen abgelehnt und habe gerne in ihrer kurz zuvor noch gekauften eigenen Wohnung irgendwann einmal sterben wollen. Der Senat kann im Hinblick auf die nicht ausreichend differenzierten und tiefgehenden Ausführungen des Sachverständigen nicht ausschließen, dass die geschilderten Verhaltensweisen der Erblasserin und das geschilderten Misstrauen zum einen darauf beruhten, dass sie sich nach dem besonderen und wohl auf unzureichender Flüssigkeitszufuhr und daraus resultierender Exsikkose beruhenden massiven Ereignis im Dezember 2011 in einer für sie ganz neuen Lage befand (Anordnung einer gesetzlichen Betreuung, Pflegeheimaufenthalt). Dies hatte sie – möglicherweise auch auf Basis einer jedenfalls beginnenden dementiellen Entwicklung – zu verarbeiten, und es ist nicht auszuschließen, dass sie dies durch ein Verhalten kompensiert hat, das die bisher mit ihr vertrauten Personen in dieser Form vielleicht noch nicht erlebt hatten, da die Erblasserin sich ja auch noch nicht in ein einer derartigen Ausnahmesituation befunden hatte. Der Senat kann auf vorliegender Gutachtengrundlage auch nicht ausschließen, dass sich auch die von dem Zeugen E für den Zeitraum des Aufenthaltes der Erblasserin im …heim geschilderten abfälligen Bemerkungen über ihre Verwandtschaft und auch in Bezug auf seinen eigenen Vater sowie das von ihm dort als ausgesprochen aggressiv empfundene untypische Verhalten der Erblasserin eben auf Grundlage dieser außergewöhnlichen Situation ergeben haben, oder aber beispielsweise wiederum (auch) als Folge, der auch vom dem Sachverständigen gestellten Zusatzdiagnosen. Auf Basis des vorliegenden Gutachtens ist aber auch nicht feststellbar, inwieweit sich eine möglicherweise schon vor dem außergewöhnlichen Ereignis im Dezember 2011 steigernde Aggression der Erblasserin bzw. steigendes Misstrauen anderen Menschen gegenüber nicht – zumindest auch – jeweils als Folge der nicht regelmäßigen Einnahme ihres Benzodiazepins, gegebenenfalls in Verbindung mit unzureichender Flüssigkeitszufuhr und Nahrungsaufnahme dargestellt hat. So hat jedenfalls der Zeuge E erklärt, er habe, wenn die Erblasserin ihr Schlafmittel dann in seiner Gegenwart eingenommen habe und zusätzlich auch etwas getrunken hatte, bzw. er ihr auch zu Hause intravenös Flüssigkeit zugeführt hatte, regelmäßig zuschauen können, wie sich ihr jeweiliger Zustand wieder verbessert habe. Weiterhin hat er erklärt, die Erblasserin sei in diesen Situationen auffällig unruhig und auch verwirrt gewesen, wobei sich nicht ganz trennen lasse, ob eine Exsikkose zusätzlich noch mit hineingespielt habe und ihre Sprache sei dann verwaschen und ihr Verhalten aggressiv gewesen.

Weiterhin ist im Hinblick auf die von dem Sachverständigen angeführten „Beschuldigungen und Vorwürfe“ der Erblasserin gegenüber ihr vertrauten Personen, die möglicherweise auch als Symptom eines sich steigernden Misstrauens angesehen werden könnten, jedenfalls der gegenüber dem Zeugen C erhobene Vorwurf der Erblasserin „irgendwelche Wertgegenstände aus ihrer Wohnung entwendet zu haben“, zu relativieren. Dieser Zeuge hatte diesen Vorwurf zunächst aus seiner Sicht als völlig absurd bezeichnet, die Erblasserin habe sich aber nicht davon abbringen lassen. Nachfolgend hat dieser Zeuge jedoch eingeräumt, dass er aus der Wohnung der Erblasserin, ohne diese vorab zu fragen, tatsächlich ein Domino-Spiel und eine Glasvase mitgenommen hat, die seine Schwiegermutter für seine beiden Söhne vorgesehen gehabt habe.

Er habe diese Gegenstände mitgenommen, um sie seinen Söhnen zu geben. Als dies von der Erblasserin bemerkt worden sei, sei es zum Streit zwischen ihm und der Erblasserin gekommen, und er habe ihr diese Gegenstände deshalb wieder zurückgegeben. Aus seiner Sicht sei ihr nicht vermittelbar gewesen, warum er diese Gegenstände mitgenommen habe. Mit diesem Umstand setzt sich der Sachverständige schon nicht konkret auseinander. Jedenfalls kann aus diesem Geschehen nicht auf eine unberechtigte Beschuldigung oder einen unberechtigten Vorwurf der Erblasserin geschlossen werden, der darauf schließen lässt, dass der Erblasserin eine Auseinandersetzung mit gewachsenen Überzeugungen und persönlichen Wertvorstellungen nicht mehr möglich gewesen ist. Auffällig ist dann zwar der weitere konkrete, diesbezügliche und von dem Zeugen E geschilderte Vorfall mit dem ihm von der Erblasserin zur Geburt seines Sohnes geschenkten Teddybär, den die Erblasserin kurz danach gegenüber der Mutter des Zeugen zurückgefordert haben soll, mit der Behauptung, der Zeuge habe bei seinem Besuch einen Teddybär mitgenommen, in dem sie ihren gesamten Schmuck versteckt gehabt habe. Allerdings ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass es durchaus möglich ist, dass die Erblasserin ihren Schmuck tatsächlich nicht finden konnte, von dem der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Nachlassgericht erklärt hat, dieser sei möglicherweise in einem Sitzkissen versteckt gewesen. Es kann daher ohne eine gründliche sachverständige Bewertung nicht ausgeschlossen werden, dass die Erblasserin dann in einer Aufregung – möglicherweise eben auf Grundlage einer beginnenden oder nur leicht ausgeprägten Demenz – einen entsprechenden Vorwurf aufgrund einer Verwechslung erhoben hat. Ohne eine gründliche sachverständige Bewertung kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass auch dieser Vorwurf beispielsweise im Zusammenhang mit einer psychischen Entgleisung im Rahmen der bekannten Entzugsproblematik stand. Jedenfalls reicht die bisherige Sachlage insgesamt nicht aus, um sicher feststellen zu können, dass die auch vom Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommenen „Schuldzuweisungen und Feindseligkeiten Dritten gegenüber“ in einem Umfang vorgelegen haben, der auch dauerhaft und nicht nur sporadisch den „biographisch gewachsenen Fundus“ der Erblasserin „ad ab absurdum“ geführt hat.

Im Übrigen dürfte in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sein, dass der Zeuge C die Erblasserin schon von Beginn an als sehr auf sich selbst bezogen erlebt haben will. Sie habe mit der Familie eigentlich nicht viel im Sinn gehabt und eigentlich nur ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwester, seiner Ehefrau gehabt. Die Erblasserin sei daher von seiner Betreuerbestellung nicht wirklich begeistert gewesen. Trotzdem hat die Erblasserin den Zeugen C dann aber nach dessen Aussage von Anfang 2012 bis Mitte 2012 etwa drei oder viermal bei ihr im Wohnzimmer auf einer Luftmatratze für einige Tage übernachten lassen. Weiterhin hat sie sich gegenüber dem Zeugen B bei ihrer Untersuchung am 04.06.2012 in ihrer Wohnung ausdrücklich mit einer weiteren Betreuung durch den Zeugen C einverstanden erklärt, genauso wie auch bei der Anhörung durch den Betreuungsrichter J am 20.06.2012 (Anhörungsprotokoll, Bl.59 des Sonderbandes). Auch diese Umstände hätten vom dem Sachverständigen an dieser Stelle eingeordnet werden müssen, da sie doch möglicherweise dafür sprechen könnten, dass die Erblasserin sehr wohl noch Zugang zu ihrem „biographisch gewachsenen Fundus“ hatte. Jedenfalls ist es denkbar, dass sie dem Ereignis der von dem Zeugen C geschilderten Wegnahme von Gegenständen im Ergebnis keine entscheidende Bedeutung mehr beigemessen hat.

Schon aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass auch die von dem Sachverständigen für die Erblasserin bejahten „durchgängigen“ „wahnhaften Realitätsverkennungen, Sinnestäuschungen“ (S. 83 des Gutachtens) ebenfalls einer wesentlich eingehenderen Begutachtung als erfolgt bedurft hätten.

Weiterhin ist im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen und dem Amtsgericht angenommenen schweren Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin auch nicht zu erkennen, dass beispielsweise persönliche Wertvorstellungen der Erblasserin im Hinblick auf ihre Urteilsfähigkeit als Basis eines kritischen Abwägenkönnens des Für und Wider dauerhaft pathologisch eingeschränkt waren (S. 84, 85 des Gutachtens).

Insoweit ist insbesondere nicht zu erkennen, auf welche Tatsachen sich die Bemerkung des Sachverständigen gründet: „Hinweisend auf eine solche Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit ist auch eine mangelnde Einsicht an Krankheit“. Dass eine mangelnde Krankheitseinsicht generell einen Hinweis auf einen – möglicherweise krankheitsbedingten – Verlust der Urteilsfähigkeit eines Erblassers darstellen kann, liegt sicherlich nahe. Dass und wieso jedoch gerade die Erblasserin eine solche mangelnde Krankheitseinsicht hatte, begründet der Sachverständige nicht. Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich schon aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (a.a.O.) ausdrücklich ergibt, dass der Erblasserin selbst bewusst sei, dass sie vor allem hinsichtlich der finanziellen Angelegenheiten sowie der Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten einer betreuenden Unterstützung bedürfe, und sie selbst ausdrücklich erklärt habe, weiterhin Hilfen in diesem Bereich zu brauchen. Insofern erschließen sich auch die Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich bei der Erblasserin eine „massive Deffizienz“ in der „realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ ergeben habe nicht, jedenfalls aber nicht in Bezug auf eine entsprechende Dauerveränderung. Selbst bei der nachfolgenden Begutachtung der Erblasserin am 14.06.2016 im Betreuungsverfahren durch den Zeugen B, nach deren geschlossener Unterbringung in den Kliniken2 in Stadt1, hat sie ausweislich dessen Gutachtens vom 18.06.2012 (a.a.O.) diesem gegenüber erklärt, sie glaube, wenn sie zu wenig trinke, sei sie im Kopf nicht mehr ganz klar. Weiterhin hat sie dort erklärt, dass ihr Betreuer, der Zeuge C, wolle, dass sie in eine Heimeinrichtung, das …stift in Stadt1 einziehe, da er glaube, dass sie es alleine zu Hause nicht mehr schaffe, und sie glaube mittlerweile selbst, dass er möglicherweise Recht habe. Ihr Hausarzt würde dieses Heim ebenfalls betreuen, was ihr Recht wäre und sie sehe auch ein, dass sie wegen ihrer körperlichen Gebrechen Hilfe brauche. Weiterhin hat sie eingeräumt, dass ihr Schwager, also der Zeuge C, ihr gesagt habe, dass sie nach diesem geschlagen habe, sie sich daran jedoch nicht mehr erinnern könne. Am liebsten würde sie eigentlich hier in der Klinik bleiben, es sei ihr jedoch auch bewusst, dass dies nicht gehe. Auch gegenüber dem Betreuungsrichter hat die Erblasserin ausweislich dessen Vermerks vom 27.06.2012 (Bl. 59 des Sonderbandes) am 20.06.2012 erklärt, sie würde ja lieber wieder in ihrer eigenen Wohnung leben, könne aber einsehen, dass dies im Moment jedenfalls nicht das Richtige für sie sei, und dass sie es grundsätzlich für richtig und sinnvoll halte, weiterhin einen gesetzlichen Betreuer im Umfange des bisherigen Aufgabenkreises zu haben. Sie könne selbst nicht ausschließen, dass es bei ihr wieder zu Phasen komme, in denen es ihr schlechter gehe. Dann solle ein gesetzlicher Betreuer in der Lage sein, schnell und zuverlässig zu handeln. Auch die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Organisation ambulanter Hilfen sollten bestehen bleiben, da es ihr mittelfristiges Ziel sei, doch wieder eine eigene Wohnung inne zu haben. Sie habe im Ergebnis nichts dagegen, wenn ihr Schwager, der bisherige vorläufige Betreuer (also der Zeuge C) dauerhaft ihr gesetzlicher Betreuer werde. Sie bevorzuge allerdings dessen Sohn, ihren Neffen (also den Beteiligten zu 2), welcher diesbezüglich vom Gericht zunächst einmal befragt werden solle. Auch die Zeugin D berichtete, die Erblasserin habe ihr gegenüber in einem Telefonat erklärt, dass sie zwischenzeitlich sehr misstrauisch gegenüber anderen Personen geworden sei, und dabei konkret auf die Haushälterin L aber auch den Betreuer Herrn K hingewiesen habe (zunächst eingesetzter vorläufiger gesetzlicher Betreuer). Auch diese Umstände sind von dem Sachverständigen im Hinblick auf eine noch mögliche Selbstreflektion der Erblasserin sämtlich nicht bewertet worden.

Schon diese aktenkundigen Feststellungen, mit denen jedenfalls innerhalb des vorgelegten Sachverständigengutachtens eine wertende Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat, begründen durchgreifende Zweifel an der vom Sachverständigen diagnostizierten „massiven Defizienz … in der realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ .

Aus welchen sonstigen Tatsachen sich die von dem Sachverständigen für die Erblasserin im Übrigen bejahte mangelnde Urteilsfähigkeit ergeben könnte, zeigt der Sachverständige nicht auf. Der Sachverständige hat ergänzend lediglich pauschal behauptet, die von der Erblasserin an den Tag gelegten Verhaltensauffälligkeiten, mündend in der Unterschriftsleistung unter dem Testament am 18.10.2012, zeigten, dass hier ihre persönliche Kritik- und Urteilsfähigkeit derart massiv ausgeprägt sei, dass man hier von einem Fehlen einer realen Urteilsfähigkeit habe ausgehen können. Der Umstand der Unterschriftsleistung selbst kann entgegen der Ansicht des Sachverständigen aber sicherlich nicht als derartige Verhaltensauffälligkeit bezeichnet werden, da das fragliche Testament keinen derart abstrusen Inhalt hat, für den man einen solchen Schluss möglicherweise hätten ziehen können.

Weitere entsprechende Verhaltensauffälligkeiten, die den für die von dem Sachverständigen zur Bejahung der von ihm angenommenen „massiven“ Beeinträchtigung der Urteilsunfähigkeit angeführten erheblichen Verlust an Kritik- und Introspektionsfähigkeit der Erblasserin belegen könnten, hat der Sachverständige nicht angegeben.

Auch die Ausführungen des Sachverständigen zu der von ihm für die Erblasserin bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit, auf die sich das Nachlassgericht ebenfalls stützt, sind unzureichend (S. 80, 81 des Gutachtens). Allerdings wird man davon auszugehen haben, dass testierunfähig auch derjenige ist, der krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln, wobei es einer Abgrenzung zu normal psychologisch wirksamen Einflüssen Dritter bedarf, wie sie üblicherweise in die eigenständige Urteilsbildung eingehen.

Dabei soll entscheidend sein, ob die Freiheit des Willensentschlusses gewahrt bleibt und ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinanten erhalten, der gegenüber eine kritische Distanz, Abwägung und eigenständige Gegenvorstellung nicht mehr möglich ist, bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden kann. Dies soll bei ausgeprägten Demenzen meist nicht mehr der Fall sein (vgl. insgesamt Cording, ZEV 2010, 115 ff, 119). Dabei weist Cording (a.a.O.) darauf hin, dass eine derartige abnorme Fremdbeeinflussbarkeit sich wesentlich über eine erhöhte emotionale Ansprechbarkeit bei reduziertem kognitiven Kontrollvermögen vermittele, wobei typisch eine disproportional überschießende Dankbarkeit für relativ kleine Gefälligkeiten sei, oder eine Vertrauensseligkeit und die Tendenz, rasch pseudofamiliäre Beziehungskonstellationen herzustellen, und die konventionelle soziale Distanz z.B. gegenüber Pflegepersonen oder Fremden nicht mehr so einhalten zu können, wie dies der prämorbiden Persönlichkeit entsprochen habe. Bei der Beurteilung einer pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit gehe es danach im Übrigen nicht um die Frage, ob tatsächlich irgendein Dritter bewusst versucht habe, den Testator zu beeinflussen, sondern um die Fähigkeit des Testators, etwaigen Beeinflussungen durch kritisches Infragestellen, innere Distanznahme und vernünftiges Abwägen zu begegnen und gleichwohl eine eigenständige, freie Entscheidung treffen zu können.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lassen die Ausführungen des Sachverständigen hier nicht erkennen, welche Tatsachen der von ihm angenommenen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit der Erblasserin zugrunde liegen. Soweit der Sachverständige insoweit auf ein von der Erblasserin „an den Tag“ gelegtes „pathologisches Misstrauen“ abstellt, „in dessen Folge ganz offensichtlich eine kritische Realitätsprüfung nicht mehr möglich war, festhaltend an ihren Denk- und Wahrnehmungsvorstellungen“, ist schon vom Ansatz her nicht ersichtlich, inwieweit ein derartiges Misstrauen überhaupt für das Vorliegen einer derartigen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit und nicht gerade gegen eine solche spricht. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Akteninhalt auch dafür spricht, dass es gerade die Erblasserin war, die letztlich die Entscheidungen darüber getroffen hat, wo sie leben wollte und dies auch entsprechend durchgesetzt hat (teilweise vielleicht auch mit Unterstützung durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1]; aus dem Attest des E vom 15.04.2014, Bl. 197 der Nachlassakte, ergibt sich in diesem Zusammenhang: „Soweit mir heute in Erinnerung ist, hat Frau I laut ihrer eigenen damaligen Aussage mit Hilfe mir namentlich und persönlich nicht bekannter dritter Personen einen Anwalt zur Anfechtung der aus meiner Sicht damals angebrachten gesetzlichen Betreuung eingeschaltet“). Für eine nach wie vor verbliebene Durchsetzungskraft der Erblasserin spricht unter anderem der Inhalt des Schreibens des Zeugen C an das Betreuungsgericht vom 03.04.2012, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 37 des Sonderbandes). Aus diesem ergibt sich, dass es die Erblasserin war, die ihre Rückkehr aus dem Pflegheim in ihre Wohnung gewollt und dann auch erreicht hat. Auch die Aussage des Zeugen C, wonach sein Sohn (der Beteiligte zu 2) sich für die Erblasserin um eine mögliche Seniorenresidenz in Berlin gekümmert habe, worüber diese zunächst sehr begeistert gewesen sei, sie aber dann, nachdem sie festgestellt habe, wie viele ihrer Kleidungsstücke sie nur habe mitnehmen können, plötzlich ablehnend reagiert habe, könnte für eine erhaltene Selbstbestimmtheit der Erblasserin sprechen.

Wie gesagt, legt der Sachverständige auch nicht offen, welche Tatsachen für ihn zur Bejahung des angeblich „pathologischen Misstrauens“ der Erblasserin maßgeblich waren. Es fehlt auch an jeglicher Auseinandersetzung mit den oben bereits vom Senat angeführten besonderen diesbezüglichen Umständen des vorliegenden Falles.

Auch soweit der Zeuge B bereits in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012 (a.a.O.) auf eine erhöhte Suggestibilität der Erblasserin hingewiesen hat und dabei über die Äußerung der Erblasserin bezüglich ihrer „Zugehfrauen“ berichtet hat, und dass die Erblasserin erklärt habe, nicht zu wissen, was sie machen solle, und befürchte, dass sie übervorteilt werden könne und deshalb auch ratlos sei, ergibt sich für den Senat ebenfalls nicht zwingend, dass bei der Erblasserin eine pathologische Fremdbeeinflussbarkeit vorgelegen hat, schon gar nicht, eine solche dauerhafte Art.

Letztlich fehlt auch im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage des Grades der von ihm bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin; wie gesagt, soll jedenfalls bei ausgeprägten Demenzen eine derartige Fremdbeeinflussbarkeit meist vorliegen können.

Ohne, dass es für die vorliegende Entscheidung noch darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass es für die von dem Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommene Fremdbeeinflussbarkeit – wie oben bereits dargelegt – letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, ob auch tatsächlich Anhaltpunkte für eine derartige aktive Beeinflussung der Erblasserin zur Erstellung des konkreten Testaments vorliegen. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob das Nachlassgericht derartige Anhaltpunkte für eine solche Beeinflussung der Erblasserin durch die Beteiligten zu 1) zu Recht bejaht hat. Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang vom Nachlassgericht gezogene Schluss, die Erblasserin habe die zur Testamentserrichtung am 18.10.2012 erforderlichen Gespräche und die Gespräche zur Vorsorge- und Patientenverfügung aufgrund ihrer eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit nicht alleine führen können, wo es ihr doch schon in den Jahren davor schwer gefallen sei, mit „Papierkram zurechtzukommen“, im Hinblick auf eine fehlende ausreichende entsprechende gutachterliche Feststellung nicht haltbar.

Das Nachlassgericht hätte seine abschließende Entscheidung also noch nicht treffen dürfen, da zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht einmal das konkrete Krankheitsbild mit seinen Auswirkungen auf die Freiheit der Willensbildung der Erblasserin in ausreichender Form vollständig ermittelt worden war. Das von dem Nachlassgericht zur Begründung herangezogene Sachverständigengutachten stellt hierfür – aus den dargelegten Gründen – keine ausreichende Grundlage dar.

Die entsprechenden Ermittlungen wird das Nachlassgericht nunmehr nachzuholen haben.

Dabei liegt es im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen des Senats nahe, für das weitere Verfahren einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. § 30 FamFG Abs. 1 FamFG, § 412 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf die vorliegend besonders anspruchsvolle Aufgabe ist es zu empfehlen, bei der Auswahl des Sachverständigen darauf zu achten, dass es sich um einen Facharzt für Psychiatrie mit dem Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ der Ärztekammern handelt und/oder mit dem Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Weiterhin sollte er sich mit dem Spezialgebiet der Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit bereits in besonderer Weise auseinandergesetzt haben (vgl. Cording, „Beweismittel zur Klärung der Testier(un)fähigkeit“, ZEV 2010, 23 ff, 9,10).

Das Nachlassgericht wird auch zu prüfen haben, ob es zur vollständigen Ermittlung des Krankheitsbildes und dessen Auswirkungen auf die freie Willensbildung der Erblasserin noch weitere Zeugen vernimmt, so insbesondere die bislang von ihm nicht ermittelten Mitarbeiter des nach Aktenlage wohl bei der Erblasserin neben der Beteiligten zu 1) tätigen Pflegedienstes, möglicherweise aber auch die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) in seinem Schriftsatz vom 29.01.2016 benannten weiteren Zeugen.

Allerdings bietet sich insoweit für das Nachlassgericht an, bereits vor der Vernehmung von weiteren Zeugen – die dann, wie auch bisher bereits in Anwesenheit des Sachverständigen stattfinden sollte, um weitere Nachfragen des Sachverständigen zu ermöglichen, durch die eine bessere Aufklärung der für ihn zur Gutachtenerstellung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen erfolgen kann – dem Sachverständigen die Akten zunächst zu einer ersten Durchsicht zu überlassen. Der Sachverständige kann sich dann nämlich noch dazu äußern, ob und warum jedenfalls aus seiner medizinischen Sicht für die Erstellung seines Gutachtens die Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen durch die Vernehmung von weiteren Zeugen oder aber auch eine erneute Vernehmung von bereits vernommenen Zeugen erforderlich ist.

Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedarf es angesichts des Erfolgs der Beschwerde nicht, § 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, ob eine Erstattung der zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll und wer diese gegebenenfalls zu tragen haben wird (vgl. Zimmermann in Keidel, a.a.O., § 84, Rn. 9; Sternal, a. a. O. § 69, Rn. 16, 39a). Es wird auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der in dem aufgehobenen Verfahren angefallenen Auslagen zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG (vgl. Senat, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 20 W 380/13, zitiert nach juris), wonach für das Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts im Verfahren über die Erbscheinserteilung der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls unter Abzug nur der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG) maßgeblich ist. Mangels konkreter weiterer Angaben der Beteiligten geht der Senat von einem Nachlasswert entsprechend der Angabe der Beteiligten zu 2) in seinem Erbscheinsantrag vom 05.06.2013 in Höhe von 30.000,00 € aus.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, weil das Gesetz eine solche für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorsieht.
Rechtsgebiete
FamFG, BGB
Vorschriften
BGB § 2229 Abs. 4; FamFG § 26; FamFG § 69 Abs. 1 S. 3; FamFG § 69 Abs. 2

Unternehmensnachfolge

Der Tod ändert alles.

Der Bestand Ihres Unternehmens kann durch eine fehlende Nachfolgeplanung ernsthaft gefährdet sein.

Grundsätzlich führt der Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters bei einer OHG oder KG zum Ausscheiden aus der Gesellschaft (§§ 131 Abs. 3 Nr. 1, 161 Abs. 2 HGB). Der Gesellschaftsanteil des Erblassers wächst dann kraft Gesetz den anderen Gesellschaftern zu (§ 105 Abs. 3 HBG in Verbindung mit § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Ist dies nicht gewünscht, muss dringend eine Regelung über die Nachfolge getroffen werden. Dies ist im Rahmen einer sogenannten Nachfolgeklausel möglich. Durch diese wird der Gesellschaftsanteil des Erblassers vererblich gestellt, so dass im Falle des Todes des Gesellschafters der Erbe oder der in der Nachfolgeklausel bezeichnete Dritte automatisch in die Stellung des Gesellschafters eintritt.

Unterschieden wird grundsätzlich jedoch zwischen der einfachen und der qualifizierten Nachfolgeklausel.

  1. Einfache Nachfolgeklausel
    In der einfachen Nachfolgeklausel wird bestimmt, dass „im Falle des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dessen Erbe fortgesetzt werden soll“ (vgl. § 139 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Erbengemeinschaft bildet damit eine Gesamthandsgemeinschaft. Es handelt sich hierbei um eine Sondererbfolge, so dass jeder Erbe allein über seinen Anteil an der Gesellschaft entscheidet und den Eintritt in die Gesellschaft unabhängig von den anderen Erben verlangen kann.
    Der Erbe kann hierbei wählen: der Erbe z.B. eines OHG-Gesellschafters kann verlangen, die Stellung eines Kommanditisten zu erlangen. Wenn dieser Antrag des Erben von den übrigen Gesellschaftern angenommen wird, wird die OHG zur KG. Der Erbe kann jedoch auch persönlich haftender Gesellschafter werden. Lehnen die übrigen Gesellschafter die Umwandlung der OHG in eine KG ab, hat der Erbe einen Kündigungsanspruch und bei Ausübung desselben einen Abfindungsanspruch gemäß § 105 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 738 Abs. 1 BGB.
  2. Qualifizierte Nachfolgeklausel
    In einer qualifizierten Nachfolgeklausel wird bestimmt, welche Voraussetzungen der Nachfolger des verstor­benen Gesellschafters erfüllen muss. Dies kann ins­besondere ein konkreter beruflicher Abschluss sein. Ist die qualifizierte Nachfolgeklausel nicht umsetzbar, da der in dieser Bestimmte die Voraussetzungen nicht erfüllt, resultieren daraus Abfindungsansprüche des nicht qualifizierten Nachfolgers.
    Es ist von größter Bedeutung, dass der Gesellschafter sein Testament mit dem Gesellschaftsvertrag abstimmt, um einer möglicherweise notwendig werdenden Liqui­dation aufgrund des Abfindungsanspruches und des dadurch begründeten Kapitalabflusses zu verhindern. Möglich ist auch eine Regelung, wodurch der nicht qualifizierte Miterbe Ausgleichsansprüche gegenüber dem qualifizierten Miterben erhält. Dies ist z.B. im Wege eines nicht anrechnungspflichtigen Vorausvermächtnisses nach § 2051 BGB oder durch eine Bestimmung im Testament möglich, dass nur Teilwertausgleich erfolgen soll.

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Kurzbeschreibung und Themenübersicht

Um eine letztwillige Verfügung korrekt vornehmen zu können, ist es erforderlich, die Grundlagen, Fallstricke und Möglichkeiten zu kennen.

Auf Grund dessen befasst sich dieses Seminar mit der Erläuterung der gesetzlichen und gewillkürten Erbfolge, den häufigsten Fehlern bei der Erstellung einer letztwilligen Verfügung, den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten sowie allem Wissenswerten über Pflichtteilsansprüche.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Behandlung folgender Themen:

  • Gesetzliche Erbfolge:

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    Gesamtrechtsnachfolge,

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  • Gewillkürte Erbfolge:
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    (einseitig, gemeinschaftlich),

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    insbesondere Berliner Testament

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    Änderung der Bewertungsgrundlagen,

    Verschonungsregelungen,

    Änderung der Freibeträge,

    Änderung der Steuertarife

  • Gestaltungsmöglichkeiten:

    Berliner Testament

Ein Testamentsvollstrecker ist von § 181 BGB befreit

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 02.01.2018 – 20 W 331/17
Ist in einer letztwilligen Verfügung der mit der Erfüllung von Grundstücksvermächtnissen beauftragte Testamentsvollstrecker ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, so spricht dies für die Auslegung, dass der Erblasser ihm nicht nur zur Erklärung der Auflassung für die Erben, sondern auch zur Annahme der Auflassung auf Seiten der Vermächtnisnehmer befugt sein soll.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 02.01.2018

Az.: 20 W 331/17

Tenor:

Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 werden aufgehoben.

Gründe

I.

Als Eigentümer des Eingangs bezeichneten Grundbesitzes sind im Grundbuch seit 4. Mai 2017 die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 in Erbengemeinschaft aufgrund des notariellen Testamentes vom 19. Juni 2008 eingetragen.

Die Voreigentümerin A (im Folgenden: Erblasserin) hatte mit diesem notariellen Testament vom 19. Juni 2008 (UR-Nr. …/2008 des Notars B) die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 zu ihren Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Außerdem hatte sie dort Vorausvermächtnisse des Inhalts angeordnet, dass der Beschwerdeführer zu 3 das Grundstück Flur … Flurstück …. und die Beschwerdeführer zu 1 und 2 als Miteigentümer zu je 1/2 das Grundstück Flur … Flurstück … erhalten sollten. Zusätzlich hatte sie Testamentsvollstreckung angeordnet und dem Testamentsvollstrecker als Aufgabe die Durchführung der Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben und die Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zugewiesen. In einem weiteren privatschriftlichen Testament vom selben Tage hatte sie den Urkundsnotar B zum Testamentsvollstrecker ernannt.

Unter dem 27. September 2017 reichte der hier verfahrensbevollmächtigte Notar seine UR-Nr. …/2017 mit näher bezeichneten Vollzugsanträgen bei dem Grundbuchamt ein. In dieser Urkunde hat der Testamentsvollstrecker in dieser Eigenschaft die beiden vorgenannten Grundstücke auf den Beschwerdeführer zu 3 bzw. die beiden Beschwerdeführer zu 1 und 2 als Miteigentümer übertragen, wobei er auch die Annahme der Eigentumsübertragung ausdrücklich jeweils für die Beschwerdeführer zu 1 bis 3 als Vermächtnisnehmer erklärte. Außerdem erklärte er als Testamentsvollstrecker die Auflassung und beantragte die Eigentumsumschreibung.

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes beanstandete mit Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 – soweit hier verfahrensgegenständlich – in Ziffer 1 und 2, die jeweils vom Testamentsvollstrecker allein erklärte Auflassung sei unwirksam, weil §§ 873, 925 BGB eine Einigung von Veräußerer und Erwerber, hier also von dem Testamentsvollstrecker einerseits und dem Beschwerdeführer zu 3 bzw. den Beschwerdeführern zu 1 und 2 andererseits erfordere.

Gegen diese Beanstandungen in Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung vom 16. Oktober 2017 hat der verfahrensbevollmächtigte Notar mit Schriftsatz vom 8. November 2017, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird unter Verweis auf im einzelnen zitierte Rechtsprechung im Wesentlichen geltend gemacht, der Testamentsvollstrecker habe die Auflassung nicht einseitig erklärt, sondern für die Erbengemeinschaft auf der einen und für die jeweiligen Vermächtnisnehmer auf der anderen Seite, so dass tatsächlich beiderseitige Einigungserklärungen über den Eigentumsübergang vorlägen. Die vom Testamentsvollstrecker erklärte Auflassung zur Erfüllung der Vorausvermächtnisse sei von dessen Verfügungsbefugnis gedeckt, so dass er in seiner Person auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftes habe mitwirken können. Bei einer anderen Handhabung würden Sinn und Zweck sowie der Aufgabenkreis der angeordneten Testamentsvollstreckung vollkommen unterlaufen. Bei der vom Testamentsvollstrecker erklärten Auflassung handele es sich auch nicht um ein unzulässiges In-Sich-Geschäft gemäß § 181 BGB.

Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Dezember 2017, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, eine Kompetenz des Testamentsvollstreckers zur Vertretung des Vermächtnisnehmers bei der Entgegennahme der Auflassung bestehe nur, wenn der Testamentsvollstrecker nicht nur für die Vollziehung des Vermächtnisses zu sorgen habe, sondern auch auf Seiten des Vermächtnisnehmers eine entsprechende Aufgabe wahrnehmen müsse, so dass die Erfüllung des Vermächtnisses nur eine Art „zwingende Vorstufe“ sei. Eine solche beidseitige Erfüllungskompetenz sei in den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und München gegeben, nicht aber im vorliegenden Fall. Denn hier bestehe der Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers ausschließlich in der Erbauseinandersetzung und der Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse.

II.

Die Beschwerde, über welche nach der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung des Grundbuchrechtspflegers gemäß §§ 72, 75 GBO der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden hat, ist zulässig.

Dabei ist zunächst klarzustellen dass es sich entgegen der Formulierung im Beschwerdeschriftsatz nicht um eine Beschwerde des Notars handelt, dem zur Einlegung dieses Rechtsmittels im eigenen Namen die Beschwerdebefugnis fehlen würde, sondern im Wege der gebotenen Auslegung davon ausgegangen werden muss, dass der Notar die Beschwerde – auch wenn die allerdings wünschenswerte diesbezügliche Klarstellung fehlt – hier im Namen der eingangs bezeichneten Beschwerdeführer aufgrund der Ermächtigung des § 15 GBO eingelegt hat (vgl. Demharter, GBO, 30. Aufl., § 15 Rn. 20 m.w.N.).

Der Anfechtung durch die Beschwerde unterliegen gemäß § 71 Abs. 1 GBO nur die Entscheidungen des Grundbuchamtes. Anfechtbar sind deshalb grundsätzlich nur die in der Sache ergehenden Entschließungen. Bezogen auf einen Eintragungsantrag handelt es sich hierbei entweder um eine Zwischenverfügung im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO oder eine sonstige abschließende Sachentscheidung, also eine Zurückweisung des Eintragungsantrages oder die Eintragung selbst, wobei für Letztere die Einschränkung des § 71 Abs. 2 GBO gilt. Sonstige Verfügungen des Grundbuchamtes, insbesondere bloße Vorbescheide oder Hinweise auf die Rechtslage, sind nicht mit der Grundbuchbeschwerde anfechtbar, weil es sich hierbei nicht um Entscheidungen im Sinne des § 71 GBO handelt (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 470 ff m.w.N.; OLG München Rpfleger 2011, 495 [OLG München 11.04.2011 – 34 Wx 160/11]; OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 401 [OLG Frankfurt am Main 04.09.1996 – 20 W 299/96] sowie Senatsbeschlüsse vom 25. August 2010 – 20 W 282/10 und 2. April 2012, – 20 W 108/12 n.v.).

Zwar sind grundsätzlich Verfügungen, welche keine Zwischenverfügungen im Sinne des § 18 GBO darstellen, nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Ob eine anfechtbare Zwischenverfügung vorliegt, ist aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts der Verfügung zu beurteilen, wobei nicht allein maßgeblich ist, ob das Grundbuchamt seine Verfügung als Zwischenverfügung bezeichnet hat oder behandelt wissen will (vgl. hierzu die Nachweise bei Demharter, a.a.O., § 71 Rn. 19). Der Senat geht im vorliegenden Fall von einer Zwischenverfügung aus, weil der Rechtspfleger in der hier teilweise angefochtenen Verfügung vom 16. Oktober 2017 eingangs die für eine Zwischenverfügung ganz typische Formulierung, dass dem Vollzug mehrere Hindernisse entgegenstünden, gewählt hat, zu deren Behebung eine Frist von einem Monat gesetzt hat, sodann nummeriert die von ihm angenommenen Hindernisse aufgezählt hat, sowohl in der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung als auch in seinem Nichtabhilfebeschluss die Verfügung ausdrücklich als Zwischenverfügung bezeichnet und durch die Vorlage an das Oberlandesgericht verfahrensmäßig auch so behandelt hat.

Die somit zulässige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, weil die Zwischenverfügung in dem hier angefochtenen Umfang betreffend deren Ziffern 1 und 2 schon aus formellen Gründen keinen Bestand haben kann.

Gegenstand einer Zwischenverfügung kann nach § 18 GBO nur die dem jeweiligen Antragsteller gegenüber ergehende Angabe von Eintragungshindernissen sein, verbunden mit der Fristsetzung zu deren Beseitigung und der Ankündigung der Antragszurückweisung bei nicht fristgemäßer Beseitigung. Die Zwischenverfügung hat demnach die Angabe sämtlicher Hindernisse zu enthalten, die der Eintragung entgegenstehen, ferner die Bezeichnung sämtlicher Mittel oder Wege zur Beseitigung der Hindernisse, die klar aufgezeigt werden müssen und schließlich die Setzung einer Frist zur Beseitigung der konkret aufgezeigten Hindernisse (vgl. die Nachweise bei OLG Frankfurt Rpfleger 1994,204; BayObLG 1997, 129; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 18 Rn. 104ff). Wegen der rangwahrenden Wirkung, die der Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 2 GBO zukommt, darf sie nur dann erlassen werden, wenn das Grundbuchamt nach Beseitigung der Hindernisse von der Eintragungsfähigkeit ausgeht (vgl. BGH FGPrax 2014, 192 [BGH 26.06.2014 – V ZB 1/12]; BayObLG FGPrax 2001, 13 [BayObLG 30.11.2000 – 2 Z BR 120/00] und NJW-RR 1991, 465 [KG Berlin 22.10.1990 – 24 W 4800/90]; OLG Hamm MittRhNotK 1996, 225; OLG Schleswig FGPrax 2010, 282; OLG Düsseldorf RhNotZ 2009, 238; OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1042 [OLG Frankfurt am Main 16.01.1990 – 20 W 501/89] und Beschluss vom 14. Oktober 2005 – 20 W 405/04 – dok. bei juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Juli 2010 -. 2 W 94/10- dok. bei juris; Demharter, a.a.O., § 18 Rn. 8, 12, 32 und § 22 Rn. 31; Meikel/Böttcher, a.a.O., § 18 Rn. 36/37; Zeiser in BeckOK GBO, Stand 01.05.2017, § 18 Rn. 17 jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen entspricht die hier angefochtene Zwischenverfügung bezüglich der hier allein verfahrensgegenständlichen Ziffern 1 und 2 nicht. Der Grundbuchrechtspfleger legt in den Ziffern 1 und 2 seiner Zwischenverfügung zwar jeweils dar, aus welchen materiell-rechtlichen Gründen aus seiner Sicht die vom Testamentsvollstrecker erklärte Auflassung unwirksam sei. Es fehlt jedoch als zwingendem weiterem Bestandteil einer Zwischenverfügung an der Darlegung, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln die angenommenen Hindernisse mit der Folge der sodann gegebenen Eintragungsfähigkeit des Antrages ausgeräumt werden könnten.

Bereits aufgrund dieses formellen Mangels können die angefochtenen Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Zwischenverfügung keinen Bestand haben und waren deshalb aufzuheben.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur die Zwischenverfügung im angefochtenen Umfang, nicht jedoch der Eintragungsantrag selbst, über welchen nunmehr zunächst das Grundbuchamt in eigener Verantwortung zu entscheiden haben wird. Insoweit weist der Senat allerdings zunächst ohne zwingende Bindungswirkung für das Grundbuchamt darauf hin, dass das vom Grundbuchrechtspfleger in Ziffer 1 und 2 der Zwischenverfügung angenommene Hindernis der Unwirksamkeit der von dem Testamentsvollstrecker jeweils erklärten Auflassung nicht gegeben sein dürfte.

In Rechtsprechung und Literatur werden – allerdings zu inhaltlich jeweils unterschiedlichen Sachverhaltsausgestaltungen – verschiedene Auffassungen zu der Rechtsfrage vertreten, ob bei einem Grundstücksvermächtnis und angeordneter Testamentsvollstreckung sich die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, zu dessen Aufgabe die Erfüllung von Vermächtnissen gehört, auch auf die Entgegennahme der Auflassung durch den Vermächtnisnehmer erstreckt. Teilweise wird dies unter Hinweis darauf angenommen, dass der Anfall des Vermächtnisses keine Annahmeerklärung erfordere und eine Ausschlagung des Vermächtnisses dem Bedachten auch nach dessen Erfüllung durch den Testamentsvollstrecker noch möglich sei, ohne dass hierfür eine Frist bestehe ( so wohl OLG München NJW-RR 2013, 1231 [OLG München 25.02.2013 – 34 Wx 30/13]; OLG Hamm NJW-RR 2011, 11 = ZEV 2011, 198 [OLG Hamm 27.07.2010 – I-15 Wx 374/09]). In der Literatur wird diese Auffassung teilweise als zu weitgehend abgelehnt (sowohl Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2223 BGB Rn. 3; Muscheler ZEV 2011, 1231; zweifelnd Mayer in Beck OK-BGB § 2223 BGB Rn. 6a; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, dok. bei Juris Rn. 157).

Der Senat ist der Auffassung, dass diese Rechtsfrage nicht generell beantwortet werden kann, sondern es einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall bedarf. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse dem Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser eingeräumt wurden. Hierzu bedarf es zunächst der Auslegung der letztwilligen Verfügung, in welcher sowohl das Vermächtnis als auch die Testamentsvollstreckung angeordnet wurden. Bei dieser Auslegung kann zwar nicht außer Acht gelassen werden, dass es grundsätzlich allein in der Entscheidungskompetenz des Vermächtnisnehmers und nicht des Testamentsvollstreckers liegt, ob er das ihm vom Erblasser zugedachte Vermächtnis annimmt oder nicht. In diesem Zusammenhang spricht einiges für die von dem Grundbuchrechtspfleger in seiner Zwischenverfügung geäußerte Rechtsauffassung, dass eine im Testament angeordnete Testamentsvollstreckung dahingehend auszulegen ist, dass sie den Testamentsvollstrecker nicht nur zur Erklärung der Auflassung auf Seiten der Erbengemeinschaft berechtigt, sondern zugleich auch zur Annahme der Auflassung auf Seiten des jeweiligen Vermächtnisnehmers, wenn der als Vermächtnis zugewandte Vermögensgegenstand dem Bedachten nicht zur freien Verfügung überlassen werden soll, sondern diesbezüglich weitere Beschränkungen oder Belastungen durch das Testament angeordnet sind, etwa in Gestalt einer Dauertestamentsvollstreckung oder eines Nach- oder Untervermächtnisses. Denn in derartigen Fallgestaltungen kann nur bei einer solchen weiten Auslegung der dem Testamentsvollstrecker eingeräumten Befugnisse für eine baldige und vollständige Umsetzung des Willens des Erblassers gesorgt werden.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchrechtspflegers ist dies jedoch nicht die einzige Sachverhaltsgestaltung, in welcher eine solche Auslegung der letztwilligen Verfügung im Sinne einer Ermächtigung des Testamentsvollstreckers zur Erklärung der Auflassung nicht nur auf Seiten der Erbengemeinschaft, sondern zugleich auch für den Empfänger des durch Vermächtnis zugewandten Gegenstandes in Betracht kommen kann.

Vielmehr ist im vorliegenden Fall für die Auslegung auch von Bedeutung, dass der Testamentsvollstrecker in § 3 Absatz 4 des notariellen Testamentes vom 19. Juni 2008 ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde. Der Senat sieht hierin einen deutlichen Hinweis darauf, dass der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung der hier angeordneten Vorausvermächtnisse für die Erben ohne deren Mitwirkung bei der Entgegennahme der Auflassung ermächtigt werden sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der hier als Testamentsvollstrecker eingesetzte Rechtsanwalt und Notar in der letztwilligen Verfügung selbst weder als Erbe noch als Vermächtnisnehmer bedacht wurde, so dass es aus diesem Blickwinkel der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht bedurfte, im Unterschied zu der hier nicht gegebenen Sachverhaltsgestaltung, dass ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Zu beachten ist weiterhin, dass vorliegend gerade keine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet wurde, sondern die Aufgabe des Testamentsvollstreckers sich in der Durchführung der Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben und der Erfüllung der angeordneten Vermächtnisse erschöpft. In diesem Zusammenhang macht die Befreiung des Testamentsvollstreckers von den Beschränkungen des § 181 BGB nur dann einen Sinn, wenn diesem damit die Möglichkeit der zügigen Erledigung seiner Aufgaben gerade auch bei der von der Erblasserin beabsichtigten Zuweisung der Grundstücke an die einzelnen Miterben als Vorausvermächtnisnehmer eingeräumt wird. Deshalb ist im vorliegenden Fall das notarielle Testament vom 19. Juni 2008 nach Auffassung des Senates dahingehend auszulegen, dass hier zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers im Rahmen der Erfüllung der Vorausvermächtnisse auch die Erklärung der Auflassung auf Seiten der jeweiligen Miterben und Vorausvermächtnisnehmer gehört.

Ohne dass es rechtlich hierauf noch entscheidend ankäme, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass von einer Annahme des Vorausvermächtnisses durch die Beschwerdeführer zu 1 und 2 bereits deshalb auszugehen ist, weil sie in Abschnitt D der notariellen Urkunde vom 19. September 2017 über das ihnen als Vorausvermächtnis zugewandte Grundstück als Nachlassgegenstand durch Verkauf und Übertragung an den Beschwerdeführer zu 3 verfügt haben. Der Beschwerdeführer zu 3 hat zwar in der notariellen Urkunde bezüglich des ihm als Vorausvermächtnis zugewandten Grundstückes selbst ausdrücklich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen abgegeben. Er hat jedoch ausweislich des Inhaltes der notariellen Urkunde bei deren Errichtung mitgewirkt und hierbei eigene rechtsgeschäftliche Erklärungen in Abschnitt D als Erwerber des den Beschwerdeführern zu 1 und 2 zugewandten Grundstückes abgegeben. In diesem Kontext wäre es bei lebensnaher Betrachtung schwer nachvollziehbar, dass er der in seiner Anwesenheit erfolgten Erklärung der Annahme der Auflassung des ihm durch Vorausvermächtnis zugewandten Grundstückes durch den Testamentsvollstrecker nicht widersprochen hat, wenn er zu einer Annahme dieses Vorausvermächtnisses nicht bereit gewesen wäre.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde war weder eine Kostenentscheidung noch eine Wertfestsetzung oder eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.
Rechtsgebiete
GBO, BGB
Vorschriften
GBO § 18; GBO § 20; BGB § 181; BGB § 2147; BGB § 2203

Beschwerdeverfahren

Quelle: 09.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196961

Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 03.08.2017 – 2 Wx 149/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln

2 Wx 149/17 2 Wx 169/17

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Euskirchen vom 12.05.2017, 3 VI 828/15, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 3) und 4) zu tragen.

1

Gründe:

2

I.

3

Am 13.08.2015 ist Herr T (Erblasser) verstorben. Er war ledig und hatte keine Kinder. Seine Eltern sind vorverstorben. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die Schwestern des Erblassers, die Beteiligten zu 1) und 2) ehemalige Nachbarn, die mit dem Erblasser befreundet waren und ihn im Haushalt unterstützt haben.

4

Im Mai 2015 wurde festgestellt, dass der Erblasser an einem metastierenden Bronchialkarzinom litt. Kurz nach der Diagnose traten Lähmungen auf, u.a. am rechten Arm.

5

Am 11.08.2015 ist beim Nachlassgericht per Einschreiben/Rückschein ein handgeschriebenes mit „Testament“ überschriebenes und mit „T“ unterschriebenes auf den 15.07.2017 datiertes Schriftstück eingegangen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 4 d. Beiakte 3 IV 793/15). Am 17.08.2015 hat die Beteiligte zu 2) beim Nachlassgericht ein weiteres handgeschriebenes mit „Testament“ überschriebenes und mit „T“ unterschriebenes auf den 15.06.2015 datiertes Schriftstück eingereicht, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 6 d. Beiakte 3 IV 793/15).

6

Am 02.09.2015 haben die Beteiligten zu 1) und 2) zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Miterben zu je ½-Anteil ausweist (Bl. 1 ff. d.A.). Sie haben vorgetragen, dass das Testament vom 15.06.2015 wirksam sei. Es sei vom Erblasser, der Rechtshänder gewesen sei, infolge der krankheitsbedingten Lähmung der rechten Hand eigenhändig mit der linken Hand geschrieben worden. Durch dieses Testament seien sie als gemeinsame Erben eingesetzt worden. Er habe ihnen mitgeteilt, wo dieses Testament zu finden sei. Das Testament vom 15.07.2015 könne nicht vom Erblasser herrühren, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen sei, ein Schriftstück in flüssiger Handschrift zu errichten.

7

Am 02.09.2015 hat die Beteiligte zu 4) zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie und die Beteiligte zu 3) als Miterben zu je ½-Anteil aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist (Bl. 22 ff. d.A.). Sie haben vorgetragen, dass beide Testamente nicht vom Erblasser herrühren würden, sondern gefälscht seien.

8

Das Nachlassgericht hat Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 11.11.2015 (Bl. 64 f. d.A.) und 20.04.2016 (Bl. 127 f. d.A.) durch Vernehmung des Zeugen T2 und die Einholung eines graphologischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.01.2016 (Bl. 78 ff. d.A.) und auf das Gutachten der Sachverständigen T3 vom 24.02.2017 (Bl. 183 ff. d.A.). Weiterhin hat das Nachlassgericht schriftliche Stellungnahmen der Hausärztin des Erblassers Q vom 14.02.2016 (Bl. 88 ff. d.A.), des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein vom 10.02.2016 (Bl. 87 d.A.) sowie der Hausärztin des Erblassers Dr. G vom 18.02.2016 (Bl. 99 d.A.) eingeholt.

9

Durch Beschluss vom 12.05.2017 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) und 2) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 4) zurückgewiesen (Bl. 239 ff. d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Testament vom 15.06.2015 vom Erblasser eigenhändig errichtet worden sei, und sich hierbei im Wesentlichen auf die Aussage des Zeugen T2 gestützt, der ausgesagt habe, bei der Errichtung dieses Testaments zugegen gewesen zu sein und dies durch seine Unterschrift bestätigt habe. Die Auslegung dieses Testaments ergebe, dass die Beteiligten zu 1) und 2) die Erben des Erblassers seien. Die gesetzliche Erbfolge greife daher nicht. Das Testament vom 15.06.2015 sei auch nicht durch ein späteres Testament widerrufen worden, da das Testament vom 15.07.2015 nicht vom Erblasser errichtet worden sei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 12.05.2017 verwiesen.

10

Gegen diesen den Beteiligten zu 3) und 4) am 22.05.2017 zugestellten Beschluss haben sie mit am 30.05.2017 beim Amtsgericht Euskirchen eingegangenem Schriftsatz vom 29.05.2017 Beschwerde eingelegt (Bl. 248 d.A.), die sie mit Schriftsatz vom 06.06.2017 begründet haben (Bl. 249 ff. d.A.). Sie haben vorgetragen, dass bezüglich der Aussage des Zeugen T2 Zweifel bestünden. Er habe den Inhalt des Testaments nicht richtig wiedergeben können. Es sei nach Vorhalt des tatsächlichen Inhalts des Testaments sichtlich irritiert gewesen. Er habe zudem fälschlicherweise erklärt, dass der Erblasser seinen Neffen zum Erben eingesetzt habe. Dabei habe der Zeuge gewusst, dass der einzige Neffe des Erblassers der Zeuge T4 gewesen sei, der in dem Testament aber nicht bedacht worden sei. Der Beteiligte zu 1) sei dagegen kein Neffe des Erblassers, was der Zeuge T2 gewusst habe. Zudem habe der Zeuge T2 unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2016 selbst begründete Zweifel daran geäußert, dass das ihm vom Gericht vorgelegte Testament nicht jenes Testament gewesen sei, das der Erblasser in seinem Beisein aufgesetzt habe. Es sei daher von einer Fälschung auszugehen. Hierfür spreche auch die Einschätzung des von ihnen, den Beteiligten zu 3) und 4), beauftragten Sachverständigen T5, wonach es nicht vorstellbar sei, dass das Testament vom 15.06.2015 mit einer schreibungewohnten linken Hand geschrieben worden sei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 06.06.2017 Bezug genommen (Bl. 249 ff. d.A.).

11

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde durch den am 19.06.2017 erlassenen Beschluss vom 13.06.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 265 ff. d.A.).

12

Der Senat hat in der nicht öffentlichen Sitzung vom 26.07.2017 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T2 und T4

13

II.

14

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) hat in der Sache keinen Erfolg.

15

Das Nachlassgericht hat die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) und 2) erforderlich sind, zu Recht für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Nachlassgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2017, wonach die Erbfolge auf dem Testament vom 15.06.2015 beruht, vollumfänglich an. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände gegen den angefochtenen Beschluss greifen nicht durch.

16

Das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat hat die Feststellungen des Nachlassgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 12.05.2017 bestätigt. Der Zeuge T2 hat während seiner Vernehmung vor dem Senat seine Aussage vor dem Nachlassgericht wiederholt, wonach der Erblasser das in der Akte befindliche auf den 15.06.2015 datierte Testament persönlich mit der schreibungewohnten linken Hand geschrieben und er, der Zeuge T2, dies mit seinem handschriftlichen Zusatz und seiner Unterschrift auf diesem Testament bestätigt habe. Auf Vorhalt hat er erklärt, dass er das Testament und seine Unterschrift wiedererkenne. Die Aussage des Zeugen T2 vor dem Senat war glaubhaft, in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Insbesondere ergaben sich keine Widersprüche zu seiner früheren Aussage vor dem Nachlassgericht. Der Zeuge ist glaubwürdig. Ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens ist nicht ersichtlich.

17

Die Einwände der Beteiligten zu 3) und 4) gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen T2 greifen nicht durch. So hat der Zeuge T2 die Behauptung der Beteiligten zu 3) und 4), er habe nach seiner ersten Vernehmung vor dem Nachlassgericht in einem Gespräch mit dem Zeugen T4 diesem gegenüber begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage geäußert, nicht bestätigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zeuge T4 ausgesagt hat, dass in dem gemeinsamen Gespräch nach Vernehmung des Zeugen T2 durch das Nachlassgericht über die Frage einer möglichen Fälschung spekuliert worden sei und der Zeuge T2 die Möglichkeit einer Fälschung nicht völlig ausgeschlossen habe. Selbst wenn dies zuträfe – der Zeuge T2 hat insoweit bestätigt, dass in dem gemeinsamen Gespräch über eine etwaige Fälschung spekuliert worden sei – kann dies zu nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich zum einen um ein privates unverbindliches Gespräch zwischen den beiden Zeugen T2 und T4 handelte und zum anderen um bloße Spekulationen. Hierauf kommt es aber auch deshalb nicht an, weil niemand absolut sicher sein kann, eine sehr gute Fälschung der eigenen Schrift und Unterschrift auch als Fälschung zu erkennen, wenn er ein vergleichbares Dokument tatsächlich gefertigt hätte und zwischenzeitlich eine geraume Zeit vergangen wäre. Sofern sich der Zeuge T2 gegenüber dem Zeugen T4 in diesem Sinne geäußert haben sollte, steht dies der Glaubhaftigkeit seiner – übereinstimmenden – Aussagen vor dem Nachlassgericht und dem Senat nicht entgegen, wonach er davon ausgehe, dass das ihm vorgehaltene Testament das vom Erblasser errichtete und von ihm, dem Zeugen T2, mitunterzeichnete Testament sei. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass – wovon sich der Senat im Beweistermin am 26.07.2017 überzeugt hat – die Unterschriften des Zeugen T2 auf dem in der Akte befindlichen Testament und auf seinem Personalausweis in auffallender Weise übereinstimmen und auch keine – stichhaltigen – Anhaltspunkte für eine Fälschung gegeben sind. Denn die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, es müsse sich bei dem Testament vom 15.06.2015 um eine Fälschung handeln, erfolgt offenbar „ins Blaue“ hinein.

18

Mit ihren sonstigen Einwänden gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen T2 dringen die Beteiligten zu 3) und 4) aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts vom 12.05.2017 ebenfalls nicht durch. Der Zeuge T2 hatte schon bei seiner Vernehmung durch das Nachlassgericht klargestellt, dass ihn der Inhalt des Testaments nicht weiter interessiert habe. Er habe das Testament „überflogen“ und – zu diesem Zeitpunkt – für überflüssig gehalten („Blödsinn“). Er habe den Erblasser zwar für krank, nicht aber für schwerkrank gehalten. Er sei im Hinblick auf die Lähmungen von den Folgen eines Schlaganfalls, nicht aber von einer Tumorerkrankung ausgegangen. Ausgehend von dieser nachvollziehbaren Schilderung des Zeugen T2 liegt es nahe, dass er sich an Einzelheiten des Testaments nicht mehr genau erinnern konnte. Dass sich der Zeuge dagegen sehr gut an das Schriftbild erinnern konnte, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht merkwürdig, sondern im Hinblick auf die Auffälligkeit der Schrift plausibel.

19

Auch die Ausführungen der Beteiligten zu 3) und 4) zum Inhalt der Aussage des Zeugen T2 in Bezug auf die vermeintliche Erbeinsetzung eines Neffen greifen nicht durch. Der Zeuge T2 hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er nicht gewusst habe, dass der Zeuge T4 ein Neffe des Erblassers sei, nicht dagegen der namentlich erwähnte Beteiligte zu 1). Der Aussage des Zeugen T4 konnte im Übrigen nicht entnommen werden, warum diese Angaben des Zeugen T2 unzutreffend sein sollten.

20

Im Ergebnis ist daher unerheblich, dass das Nachlassgericht auf das neue Vorbringen der Beteiligten zu 3) und 4) in ihrer Beschwerdebegründung im Abhilfeverfahren verfahrensfehlerhaft den Zeugen T2 nicht erneut und den Zeugen T4 gar nicht vernommen hat. Denn der Senat hat die notwendigen Feststellungen nachgeholt.

21

Weiterhin erschließt sich nicht, warum es auf das Testament vom 15.07.2015 ankommen soll. Es konnte nicht aufgeklärt werden, wer dieses Testament errichtet und an das Nachlassgericht geschickt hat. Vom Erblasser stammt es nach den zutreffenden Feststellungen des Nachlassgerichts, denen sich der Senat anschließt, jedenfalls nicht. Dafür, dass die Beteiligten zu 1) und 2) für die Einreichung dieses Testaments verantwortlich sein sollen, gibt es keinen Anhaltspunkt.

22

Auch das von den Beteiligten zu 3) und 4) zur Akte gereichte Privatgutachten eines Herrn Gerhard T5 führt zu keiner anderen Beurteilung. Seine Ausführungen, es sei kaum vorstellbar, dass dieses Testament mit einer schreibungewohnten Hand gefertigt worden sein soll, weil das Schriftbild dann wesentlich unregelmäßiger aussehen müsste, ist ebenso wenig nachvollziehbar, wie seine Erklärung, es deute nichts darauf hin, dass das Schriftbild mit einer nicht zittrigen Hand erzeugt worden ist. Denn selbstverständlich können viele Menschen mit ihrer schreibungewohnten Hand ein regelmäßiges Schriftbild erzeugen und mit einer nicht zitternden Hand ein dem Schriftbild des Testaments vom 15.06.2015 vergleichbares Schriftbild erzeugen. Dementsprechend werden diese Aussagen des Privatgutachters auch nicht erläutert. Zudem widersprechen seine Feststellungen auch den überzeugenden Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen T3, die von einem „non liquet“ ausgeht, d.h. die Erstellung des Testaments durch den Erblasser für möglich, aber nicht für bewiesen hält. Dem schließt sich der Privatgutachter letztlich auch an, weil er – im Widerspruch zu seinen vorstehenden Ausführungen – im Ergebnis doch zu dem Schluss kommt, dass das Testament vom 15.06.2015 vom Erblasser stammen könnte, dies aber mangels geeignetem Vergleichsmaterial nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne.

23

Die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerinnen zu „sonstigen Begleitumständen“ sind unerheblich.

24

III.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

26

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gem. § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

27

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 300.000,00 €

28

(geschätzt nach den Angaben des Nachlasspflegers zum Immobilien- und Bankvermögen des Erblassers)

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