Bundesfinanzhof ordnet Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer neu

Bundesfinanzhof ordnet Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer neu

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 4/16, Pressemitteilung vom 27.01.2016, Urteil vom 02.12.2015, Aktenzeichen V R 25/13 , Urteil vom 02.12.2015, Aktenzeichen V R 15/14  , Urteil vom 02.12.2015, Aktenzeichen V R 67/14  , Urteil vom 03.12.2015, Aktenzeichen V R 36/13

Mit mehreren Urteilen vom 2. Dezember 2015 hat der V. Senat des Bundes­finanz­hofs (BFH) eine Reihe von Zweifelsfragen zur Konzernbesteuerung im Umsatz­steuerrecht (Organschaft) geklärt.

Bedeutung der Organschaft
Die Organschaft führt zu einer Zu­sam­men­fassung von herrschendem Organträger und abhängiger Organgesellschaft. Der Organträger ist allein für den gesamten Organkreis steuerpflichtig. Die Organschaft ist von großer Bedeutung für Unter­neh­mens­gruppen ohne Recht auf Vor­steuer­abzug, wie etwa im Bank-, Versicherungs-, Krankenhaus- oder Pflegebereich. Aufgrund der Organschaft ist es Unternehmen in diesen Bereichen möglich, untereinander Leistungen zu erbringen, die nicht steuerpflichtig sind und damit nicht zur Entstehung von Vorsteuerbeträgen führen, die wegen des fehlenden Rechts auf Vorsteuerabzug nicht abziehbar wären.

Organschaft mit Tochterpersonengesellschaften
Bislang musste es sich bei der Tochtergesellschaft um eine juristische Person handeln. Entgegen bisheriger Rechtsprechung lässt der BFH nunmehr eine Organschaft auch mit Tochter­per­so­nen­gesellschaften zu (V R 25/13). Voraussetzung ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind.

Die Einschränkung der Organschaft auf abhängige juristische Personen ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt, weil nur so einfach und rechtssicher über die Beherr­schungs­voraus­setzungen der Organschaft entschieden werden kann. Bei der juristischen Person ist dies durch das dort geltende Mehr­heits­prinzip und die rechtliche Ausgestaltung von Gesellschafts­gründung und Anteilsübertragung gewährleistet. Demgegenüber gilt bei Personengesellschaften grundsätzlich das Ein­stim­mig­keits­prinzip. Zudem lassen sich Personengesellschaften im Grundsatz ohne Formzwang gründen, wobei Gesellschaftsanteile ebenso formfrei übertragen werden können.

Nach dem Urteil des BFH rechtfertigen diese Unterschiede aber nicht den Ausschluss auch von Tochterpersonengesellschaften, an denen nur der Organträger und andere von ihm finanziell beherrschte Gesellschaften beteiligt sind. Die Beherrschung kann dann nicht in Frage gestellt werden. Damit erweitert sich der Kreis der in die Organschaft einzubeziehenden Tochter­gesell­schaften.

Im konkreten Fall ging es um steuerbare und steuerpflichtige Leistungen der Muttergesellschaft an ihre Tochter­personen­gesellschaften, die ihrerseits steuerfrei Altenheime betrieben und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. Das Finanzgericht muss im zweiten Rechtsgang prüfen, ob eine Organschaft zwischen Muttergesellschaft und deren Tochterpersonen­gesell­schaften vorliegt. Dann sind die Leistungen untereinander nicht steuerbar und entsteht keine für die Töchter nicht als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer.

Voraussetzungen der Organschaft
Der BFH hält weiter daran fest, dass die Organschaft eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Tochter­gesell­schaft voraussetzt und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft bestehen muss (V R 15/14).

Damit bleibt es beim Erfordernis einer Beherrschung der Tochter­gesellschaft durch den Organträger. Der BFH lehnt es aus­drück­lich ab, die Organschaft aus Gründen des Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern. Eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften bleibt damit weiterhin ausgeschlossen.

Im Streitfall scheiterte eine Organschaft. Daher erbrachte die Klägerin, eine GmbH, steuerpflichtige Leistungen an ihre Schwestergesellschaft, eine KG, die ohne Recht auf Vorsteuer­abzug ein Wohn- und Pflegheim betrieb.

Keine Organschaft mit Nichtunternehmern (Hoheitsträgern)
Entgegen einer aus dem Unionsrecht abgeleiteten Sichtweise hält der BFH daran fest, dass der Organträger Unternehmer sein muss. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht unternehmerisch tätig ist, kann daher die Vorteile der Organ­schaft durch eine Nichtbesteuerung der von den Tochter­gesell­schaften bezogenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen (V R 67/14).

Im Streitfall hatte eine juristische Person des öffentlichen Rechts bislang bei sich beschäftigtes Personal auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft (GmbH) ausgelagert. Die GmbH stellte ihrer Gesellschafterin sodann das Personal gegen Aufwendungsersatz zur Verfügung. Beide gingen von einer Nichtsteuerbarkeit der Personalgestellung aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden Organschaft aus.

Der BFH verneinte die Organschaft. Bei der Organschaft handelt es sich um eine Vereinfachungsmaßnahme, die eine eigene Unternehmerstellung des Organträgers voraussetzt. Dies ist zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken unionsrechtlich geboten. Mangels eigener Unternehmerstellung ist die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ihr Personal gestellt wird. Wäre die Bildung einer Organschaft auch ohne eigene Unternehmerstellung möglich, käme es zu einer Umgehung dieses Abzugsverbots.

Auswirkungen auf Unternehmensübertragungen
Nach dem weiteren BFH-Urteil vom 3. Dezember 2015 V R 36/13 kann die Organschaft auch bei Unternehmens­über­tra­gun­gen von Bedeutung sein.

Unternehmensübertragungen sind als sog. Geschäfts­veräuße­rung nicht steuerbar. Dies setzt grundsätzlich die Übertragung auf einen Unternehmenserwerber voraus. Eine Aufspaltung des einheitlichen Unternehmens auf zwei Erwerber ist bei einer bloßen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern demgegenüber nicht begünstigt.

Im Streitfall hatte ein Einzelunternehmer im Wege der Gene­ra­tio­nennachfolge sein Unternehmen auf zwei Personen­gesell­schaften, eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft, übertragen. Gesellschafter waren der Einzelunternehmer und seine beiden Söhne.

Nach dem Urteil des BFH ist nur die Übertragung auf die Be­triebs­gesellschaft als Geschäftsveräußerung anzusehen, nicht aber auch die Übertragung auf die Besitzgesellschaft.

Zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft lag auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 auch keine Organ­schaft vor. Diese scheiterte insbesondere am Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung (V R 15/14). Bei Annahme einer Organ­schaft wäre demgegenüber steuerrechtlich von einer Über­tragung auf einen Erwerber auszugehen gewesen, so dass auch die zivilrechtliche Übertragung auf die Besitzgesellschaft als Geschäftsveräußerung nichtsteuerbar gewesen wäre.

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Über den Autor

Harald Halbig author

Rechtsanwalt und Steuerberater in München

Tätigkeitsschwerpunkte:
Steuerberatung, Steuerstrafrecht, strafbefreiende Selbstanzeige, Bilanzrecht, Rechtsbehelfsverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Vermögensübertragungen, Erbschaftsteuerrecht

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